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Gewalt an Schulen Gewalt an Schulen: Florian hat Angst vor dem Schläger

Von Kornelia Privenau 10.03.2004, 17:24

Eisleben/MZ. - Florian (12, Name geändert) bekommt bei dem Gedanken Gänsehaut: Der Sekundarschüler aus Eisleben soll Robert (13, Name geändert) noch einmal gegenübertreten. Robert hatte ihm vor zwei Monaten an einer Bushaltestelle ein Auge blau geschlagen, weil Florian seine Armbanduhr nicht hergeben wollte. Florians Eltern erstatteten Anzeige. Der Staatsanwalt übergab die Strafsache zunächst an die Jugendgerichtshilfe beim Landratsamt.

Elke Neumeister, die zusammen mit zwei Diplom-Sozialarbeiterinnen in der Jugendgerichtshilfe tätig ist, bekommt solche Sachen regelmäßig auf Tisch. Es gehe der Justiz zuerst darum, kleinere Delikte außergerichtlich zu klären und zu bereinigen. "Wir nennen das Täter-Opfer-Ausgleich", so Neumeister.

Wird Florian nun gegen seinen Willen zugemutet, seinem Peiniger noch einmal zu begegnen, mit ihm zu sprechen, den Tathergang zumindest emotional noch einmal zu erleiden? Frau Neumeister schüttelt den Kopf. "Auf keinen Fall. Die Teilnahme an solch einem Gespräch ist für beide Seiten freiwillig. Oft sind es die Täter, die sofort zu einem Ausgleich bereit sind. Zumindest haben wir diese Erfahrung gemacht. Sie wollen für sich die Möglichkeit nutzen, eine außergerichtliche Einigung zu erreichen, um sich, wenn sie 14 Jahre und älter sind, einen Prozess zu ersparen." Also nur gespielte Reue? So könne man das nicht sehen, meint die Fachfrau. "Wir merken schon, ob jemand die Gespräche zur Konfliktbewältigung ernst nimmt oder nur Vorteil heischen will. Meist ist es für beide Seiten nicht einfach, sich nach dem Ereignis anzunähern, aufzuarbeiten." Aufarbeiten heißt auch, unangenehme Fragen, zum Beispiel nach dem Warum der Tat zu beantworten. Das gehe den Tätern schon an die Nieren. Eine Entschuldigung sei das Mindeste, was im Täter-Opfer-Ausgleich zu erwarten ist, gebunden an eine Wiedergutmachung des Schadens.

Wenn sich die Beteiligten nicht gegenübertreten können, so Frau Neumeister, räume die Gerichtshilfe auch die schriftliche Entschuldigung beim Opfer ein, meist verbunden mit einem kleinen Geschenk, um auszudrücken "es tut mir wirklich Leid", hieß es weiter.

Florian will keine Begegnung mit dem Täter. Er erwartet eine schriftliche Entschuldigung. Ob er sie bekommen wird? Die Sozialarbeiterinnen sind ziemlich sicher. Sie sprechen über ihre Arbeit auch im Sozialkunde- und Ethikunterricht, nennen das Prävention, Vorbeugung. In Zukunft soll ein freier Träger auch Anti-Gewalt-Training in Eisleben anbieten.