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Harzkreis Harzkreis: Das Baby in guten Händen

Von RITA KUNZE 25.08.2010, 12:59

HALBERSTADT/MZ. - Abschiede tun immer ein bisschen weh. Aber es macht einen Unterschied, ob man mit einem guten Gefühl geht oder nicht. Aud Merkel, einstige Chefdramaturgin des Nordharzer Städtebundtheaters, hat nach acht Jahren das Haus verlassen - in Frieden. "Es beruhigt, wenn man das Baby, das man gehegt und gepflegt hat, in gute Hände geben kann und weiß, dass es weiter wächst", sagt sie.

Ihr "Baby", das war die Leitung einer Abteilung, die Mitwirkung an vielen Musiktheater-Inszenierungen, zuletzt auch die Öffentlichkeitsarbeit. Nun also will und sucht sie neue Herausforderungen und zieht einen Schlussstrich. Aud Merkel sagt von sich selbst, sie sei jemand, der sich viel bewegt und sich deshalb nicht auf die künftige Arbeit festlegen will. Zuversichtlich ist sie allemal: "Ich war vor meiner Zeit am Nordharzer Städtebundtheater freischaffend."

Die Arbeit der vergangenen acht Jahre sei eine reizvolle Aufgabe gewesen, "bunt und facettenreich". Besonders gerne habe sie mit Ballettmeister Jaroslaw Jurasz zusammengearbeitet. Nicht nur, weil bei Ballettinszenierungen ein Dramaturg besonders gefragt ist; "ich schätze ihn sehr, er ist ein großer Künstler", sagt Aud Merkel über Jurasz, dessen Stil nicht überall Zuspruch finden würde, wohl aber im Vorharz. Mit seinen Inszenierungen hat der Pole oftmals den Nerv des Publikums getroffen; er setzt große Literatur opulent um. Für sein neues Kammerballett arbeitet Jurasz eng mit dem griechischen Komponisten Irineos Triandafillou zusammen. Solch eine Kooperation ist für Aud Merkel das Besondere: "Für die wenigen Aufführungen am vergleichsweise kleinen Nordharzer Städtebundtheater wird eine komplexe Komposition geschrieben. Das ist selten."

Das Haus hatte aber noch mehr zu bieten: "Es ist sehr speziell, dass man an einem kleinen Theater alle zwei Jahre eine Händel-Oper machen kann", stellt die Dramaturgin fest, die in Musikdirektor Johannes Rieger zu ihrem Glück einen großen Händel-Fan getroffen hat. Die Liebe zur Musik hat familiäre Wurzeln. Schon als Kind in Berlin hat Aud Merkel Opern sowie Musicals gesehen, wenn ihre Großmutter sie mit in die Vorstellungen nahm.

Die Wahl-Halberstädterin fühlt sich verwurzelt mit der Stadt, ist stolz auf ihr Theater. "Die Faust-Inszenierung etwa ist eine Sache, die sich im Theaterbetrieb messen kann", sagt sie, wenngleich Trends sie "überhaupt nicht mehr" interessieren: "Wenn jemand mit einem Konzept kommt, dann spüre ich, ob er das von außen quasi à la mode mitbringt oder selbst aus dem Stück heraus entwickelt."

Da könne der Dramaturg auch ein Korrektiv sein: "Der ehrliche Umgang mit einem Thema heißt ja nicht, dass die Inszenierung bequem sein muss. Die Zuschauer sind offen für Neues. So liebten sie beispielsweise die Verdi-Oper Don Carlos in der wohldurchdachten Inszenierung von Cornelia Just und Wiebke Horn genauso wie die Oper Martha in der Regie von Hinrich Horstkotte."

Als Dramaturgin am Nordharzer Städtebundtheater verstand sich Aud Merkel nicht nur als Mittler zwischen Regisseur und Darstellern. Sie schlug auch die Brücke zum Publikum, vor allem mit den Matineen vor jeder Premiere, bei denen Zuschauer, Darsteller und Regisseur oder Dirigent ins Gespräch kamen. "Was ich sehr mochte, war das Feedback der Zuschauer. Das direkte Gespräch mit ihnen war immer eine Anregung, die habe ich auch ins Ensemble hineingetragen. Das wird mir fehlen." Eine Zuschauerin habe ihr einmal erzählt, dass sie lange Jahre nicht ins Theater gegangen sei. Aber die Matineen hätten sie schließlich wieder dahin zurückgebracht, sagt Aud Merkel. Ihr Fazit: "Schon dafür hat es sich gelohnt, die acht Jahre hier gewesen zu sein."