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Harz Harz: «Da versuchen Nichtkämpfer aufzubrechen»

Von uwe kraus 29.02.2012, 16:37

halberstadt/MZ. - Die Matinee zu "Drei Schwestern" im Halberstädter Jagdschloss in den Spiegelsbergen entbehrte nicht einer gewissen Komik, saßen doch vier Männer im Podium: Dramaturg Sebastian Fust, Werschinin-Darsteller Andreas Petri, Regisseur Marc Pommerening sowie der Bühnen- und Kostümbildner Jürgen Lier. Petri ist es, der wohl am genauesten die russische Seele zu entschlüsseln vermag. Studierte er doch noch in Leningrad für zweieinhalb Jahre Schauspiel.

Ewig auf dem Sprung

Pommerening sagt, er nähere sich Anton Tschechows "Drei Schwestern" - Premiere ist am 9. März im Großen Haus Quedlinburg - immer noch an. "Ich finde jeden Tag etwas Neues." Er hat den Text gestrichen, ohne ihn zu amputieren. Es vermischen sich Tragisches und Komisches. Irina, Mascha und Olga Prosorow seien "ewig auf dem Sprung nach Moskau". Alles sei ihnen genommen, selbst aus dem eigenen Haus hat sie ihre Schwägerin gedrängt. Nur die Hoffnung bleibt. Der 41-jährige freie Autor und Regisseur hat an der Hochschule für Schauspielkunst "Ernst Busch", wo er mit Hannes Hametner und ihrer Abschlussarbeit "Anatomie Titus Fall of Rome" das Diplom machte, gelernt, Emotionen zu misstrauen. Marc Pommerening kann mit Stimmungen nichts anfangen. "Das klingt nach Ausrede, weil man sich um Haltung nicht kümmert. Anton Tschechow schrieb eine Haltung unter dem Text. Die bewegt sich fernab von dampfenden Samowaren und Birkenwäldern. Da versuchen konfliktscheue Nichtkämpfer aufzubrechen."

Nirgends im Text fand er den Ort, alles spielt in einer namenlosen provinziellen Gouvernementsstadt fernab von Moskau, woher die Familie stammt und wohin die Schwestern nach dem Tod des Vaters wieder zurück möchten. "Rein geografisch könnte es Perm sein", wirft Andreas Petri ein.

Der Norddeutsche Pommerening sagt über seine alte Heimat Flensburg, sie werde mit Punktekatalog, Bier und Beate Uhse verbunden. Er lebt in Berlin und gesteht, irgendwann brauche er das Meer. "Dann geht es im Sommer in den Norden."

Nach dem Studium schrieb er vorwiegend, suchte sein Glück in Wien, gestaltete das Kunstfest in Weimar mit. Am Innsbrucker Landestheater inszenierte er, der Norddeutsche, den Alpenklassiker "Andreas Hofer". Peter Hacks "Jona" brachte er auf die Bühne, und dessen "Tatarenschlacht" führte er zur Uraufführung. In Erlangen bescherte Pommerening dem Städtchen mit "Die Wölfe" des NS-Dichters Hans Rehberg einen kleinen Theaterskandal. Er möchte Diskussionen anstoßen.

Die Rolle von Maschas Mann hat er gestrichen und die Mitspielerzahl der Situation im Nordharz angepasst. Er wird Gäste mitbringen, die neben dem Nordharzer Schauspielensemble zu erleben sind.

In der Premiere kehrt Margit Hallmann als Kinderfrau Anfissa ans Haus zurück, die in Quedlinburg engagiert war und sich in den vergangenen Jahren weiter als Puppenspielerin profiliert hat. Claudia Lietz, die die Natalja spielt, kennt er aus einem Gemeinschaftsprojekt mit Hametner, und mit Andreas Petri brachte er 2009 "Kasimir und Karoline" von Horvath heraus.

Kostenplan und Kompromiss

Mit Ausstatter Jürgen Lier verbinden Pommerening gleichsam gemeinsame Projekte. "Hier in Quedlinburg habe ich mit ihm wieder gestritten, ob das Stück Wände braucht", sagt er. Und so kommt es Lier zu, den größten Teil der Matinee zu bestreiten. Bei Tschechow sei sehr genau beschrieben, wie die Räume aussehen. Aber für die Inszenierung gibt es einen klaren Kostenplan. Er sucht den Kompromiss. Hat 1:20-Modelle gebaut, unterschiedliche Bodenstrukturen gesucht, im dritten Akt 58 Auf- und Abgänge gezählt und musste eine räumliche Lösung für das Hinausdrängen der Schwestern finden.

"Irgendwie sind das doch unbehauste Menschen, quasi auf der Durchreise." So spielen Spielbretter und -steine eine große Rolle und Kisten, aus denen sich viel entwickelt. "Julia Siebenschuh hat in der Probe aus einem Karton sogar einen Bilderrahmen gemacht. Die besten Ideen kommen nicht immer vom Regisseur", wirft Marc Pommerening schmunzelnd ein. "Letztlich ist es ein Stück in der Schwebe, und wir erleben das Prinzip Hoffnung in verschiedenen Stadien."

"Drei Schwestern", Premiere am 9. März, 19.30 Uhr Quedlinburg, Kartenanfragen unter Tel. 03946 / 96 22 22