1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Naumburg
  6. >
  7. Ein Spieler auf vielen Klaviaturen

Ein Spieler auf vielen Klaviaturen

Von MICHAEL HEISE 16.02.2009, 16:25

BAD KÖSEN. - Bei seiner Bewerbung um die Brandenburger Dom-Pfarrstelle hatte sich der 46-Jährige klar und für ihn wider Erwarten gegen sieben weitere Aspiranten durchsetzen können. Was jetzt folgt, ist nichts geringeres als der sonst kaum übliche Wechsel von einer Landeskirche in eine andere. Am 8. März wird André Wiethölter in Bad Kösens Lutherkirche mit einem feierlichen Gottesdienst verabschiedet (wir berichteten). Bei alledem läuft die aktuelle Kirchenarbeit ohne Einschränkung weiter, werden Termine auf den Dörfern absolviert, steht das Pfarrhaus in Bad Kösen für Veranstaltungen jeglicher Art offen. Dennoch ist das Ende Wiethölters Dienstzeit offenkundig, überall im Hause stehen Umzugskartons, sind Akten sortiert und Schriftstücke gestapelt. Doch mit jedem Papier, das in einer der Kisten verstaut wird, verschwindet auch ein Stück Erinnerung an acht Jahre Arbeit im Pfarrbereich Bad Kösen. Arbeit, die André Wiethölter nicht missen möchte und von der er sagt, dass man sie auf vielen Klaviaturen spielen müsse. "So klein der Pfarrbereich Außenstehenden auch scheinen mag, so unterschiedlich ist er doch. Hier herzlich, dort eher auf Distanz. Das trifft auf den Dörfern genauso zu wie auf Bad Kösen selbst", so Wiethölter. Bei alledem habe er ein "spürbares kommunales Interesse" an der Kirchenarbeit vermisst, nicht selten sei gegen Vorurteile anzukämpfen gewesen. "Kirche ist längst nicht mehr düster und rückwärts gewandt, sie ist vielmehr offen für Neues und kann jungen wie älteren Menschen eine breite Betätigung bieten. Viele wissen das leider nicht."

Unterm Strich aber überwiegen für Wiethölter die positiven Aspekte. Die Zusammenarbeit mit 80 Ehrenamtlichen, ohne die, so der Pfarrer, vieles nicht ginge. Er nennt die Küsterdienste ebenso wie die Krippenspiele, Pflegemaßnahmen und die Arbeit im Kirchen- und Posaunenchor. Immerhin 23 verschiedene Veranstaltungen sind pro Monat abzudecken - von Kulturabenden bis hin zu Seniorenkreisen. Wiethölter: "Viele der Menschen, denen ich begegnet bin oder die mir zur Seite standen, sind enge Freunde geworden. Menschen, von denen ich mich nicht gern trenne."

Sich etablierende Biker-Treffen

Doch es dürften nicht nur diese persönlichen Verbindungen sein, die den Abschied von Bad Kösen schwerer machen. In seiner Amtszeit hat es Pfarrer André Wiethölter schließlich vermocht, die Kirchenarbeit deutlich zu beleben, regelmäßige Kontakte zu den Menschen zu pflegen. In der Gemeinde Möllern beispielsweise führte er einen Gottesdienst nach festen liturgischen Abläufen ein. Und in Bad Kösen "fischte" er auch am "Rande" und lud Christen wie Nichtchristen gleichermaßen zu sich etablierenden Biker-Treffen samt Gottesdiensten ein. Zuletzt zählte Wiethölter, der begeisterter Motorradfahrer ist, 130 Teilnehmer. "Viele Menschen haben Kirche durch diese Treffen erst wahrgenommen, dabei sind sie nur ein kleiner Bestandteil meiner Arbeit gewesen. Aber ein sehr wichtiger", betont der Pfarrer. Wie es mit jener Tradition in Bad Kösen weitergeht, ist offen. Kleiner Trost zumindest für Wiethölter: Am Branderburger Dom gibt es auch Biker-Treffen.

Stellenbesetzung noch unklar

Offen ist auch, wer neuer Pfarrer von Bad Kösen wird. Noch wurde die Stelle nicht ausgeschrieben, da erst zu klären ist, wie sie kirchenintern bewertet wird. Nach dem Weggang von Pfarrer Ulrich Huppenbauer aus Hassenhausen (wir berichteten) ist dieser Bereich wieder von Bad Kösen aus zu betreuen, weshalb der Gemeindekirchenrat von einer 125-prozentigen Pfarrstelle spricht. "Eine Arbeit, die kaum von nur einer Person bewältigt werden kann. Dem Kreiskirchenrat wird darum die Besetzung mit einem Pfarrer-Ehepaar empfohlen", so Wiethölter. Er schätzt, dass in frühestens fünf Monaten seine Nachfolge geklärt ist.