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ATOMBOMBENOPFER ATOMBOMBENOPFER: Schreckliches Experiment an Zivilisten

Von ROLAND LÜDERS 30.09.2010, 16:48

SCHULPFORTE. - Gleich nach den Sotobayashis Vortrag einleitenden Worten macht sich aber in der Aula Betroffenheit breit. Berichtet er doch von einer schreckliche Katastrophe aus seiner Jugendzeit, die sich am 6. August 1945 ereignete. Damals lebte der in Nagasaki geborene Oberschüler in Hiroshima. 8.15 Uhr, der Unterricht an seiner Schule war im vollen Gang, gab es plötzlich einen Blitz von nie da gewesener Helligkeit, danach eine mit riesigen Donner verbundene Druckwelle, die das Gebäude zusammenbrechen ließ. Dass die Amerikaner über der Stadt im Delta des Ota Rivers in 600 Meter Höhe eine Atombombe gezündet hatten, erfuhr Hideto Sotobayashi erst später. Das Zentrum der Explosion lag nur 1,5 Kilometer von der Schule entfernt. Mit leiser Stimme schildert der Zeitzeuge das weitere Geschehen, so die Rettung eines Mitschülers aus den Trümmern, der dennoch später starb, die Suche nach einem jungen Bekannten, den er als Leiche aus dem Fluss barg, oder die Leiden seiner Mutter. Die starb im Alter von 35 Jahren kurze Zeit später am 9. August 1945, jenem Tag, an dem der Kernwaffenangriff auf Nagasaki erfolgte.

Der Professor leugnet nicht die Kriegsschuld der Japaner, auch nicht die Tatsache, dass der Bombeneinsatz die Kapitulation des bereits am Boden liegenden fernöstlichen Kaiserreichs beschleunigt hatte. Trotzdem bleibt der Einsatz der Massenvernichtungswaffe gegen die Zivilbevölkerung für ihn ein auf einer vergleichbaren Ebene wie die Geschehnisse in Auschwitz liegendes, nicht militärisch, sondern politisch motiviertes Kriegsverbrechen, eines der grausamsten Menschenexperimente der Neuzeit. Hiroshima sei zuvor extra von konventionellen Bombenangriffen verschont worden, um so die Wirkung der Kernwaffe ohne Verfälschungen studieren zu können. Aus demselben Grund wurden auch beide B-29-Atombomber jeweils von zwei weiteren Flugzeugen begleitet. Einer dieser Flieger war mit einem Film-Team besetzt, der andere trug diverse Messeinrichtungen an Bord. Die schwer verletzten Opfer des Angriffs wären zwar von den Amerikanern nach deren Sieg medizinisch untersucht worden. Eine ärztliche Behandlung der Menschen sei aber verboten worden.

Anlass für die Einladung von Professor Hideto Sotobayashi nach Schulpforte war eine Reise von zwölf Landesschülern mit Religionslehrerin und Pfarrerin Regine Huppenbauer-Krause und ihrem Mann, Pfarrer Ulrich Huppenbauer, nach Japan. In dem fernöstlichen Land studierte der Sohn des Ehepaars, Anselm Huppenbauer, Japanologie. Er arbeitete für die Gruppe als Dolmetscher. Höhepunkt der Reise war die Teilnahme an den Gedenkfeiern zum 65. Jahrestag der Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki. Dieses generationsübergreifende Gedenken, so die Quintessenz einer Podiumsdiskussion in der Aula, beeindruckte die Schüler nachhaltig.