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Verrückte Gestalten auf Hausbesuch

Von Sabine Ernst 06.02.2005, 15:43

Spergau/MZ. - Die Küchenmädchen haben die Treppe ins Obergeschoss in Beschlag genommen, die Küchenburschen okkupieren den hinteren Flurbereich und im vorderen Teil klemmen - laut lachend - Karin Schmidt, Johanna Holland und besagter Erbsbär (Michael Hanke).

Wenn die Lichtmess-Gesellschaft am ersten Sonntag im Februar ihren traditionellen Heischegang absolviert, dann ist an Ausschlafen nicht zu denken. Ab vier Uhr hallen Fanfarenklänge und Gejohle durch das Dorf. Gegen sechs Uhr versammeln sich alle Mitglieder der Lichtmess-Gesellschaft im Spergauer Gasthof "Zur Linde". Und eine Stunde später, nach dem obligatorischen Feuerspringen auf dem Bäckerplatz, setzt sich der bunte Tross durch die Ortschaft in Bewegung.

Das erste Haus, das die Lichtmess-Gesellschaft ansteuert, ist stets das in der Gartenstraße - eben da, wo Karin Schmidt, Johanna Holland und Jürgen Grundmann gemeinsam wohnen. Gastfreundschaft wird hier groß geschrieben: Man greift beherzt bei den Handelsmännern zu, lugt gespannt in den Guckekasten (Guckekastenmann Jens Franke: "Guck' mal rein Johanna, dann wird's dir warm.") und applaudiert begeistert der singenden Vogelschar. Weil die Lichtmess-Gesellschaft aber nicht allein von Luft und Applaus leben kann, bekommt jeder Akteur nach seinem Einsatz noch ein paar Euro in die Hand gedrückt.

Etwa 20 Minuten und einen "Schluck zum Stärken" später ist die Haushaltskasse der Gastgeber um knapp 30 Euro geschrumpft. Dafür sind die Drei aus der Gartenstraße um eine Lichtmess-Zeitung, ein Lichtmess-Glas und allerhand Krimskrams reicher. "Wir geben gern etwas zurück", sagt Karin Schmidt und schmunzelt. Insgeheim ist sie froh darüber, dass ihre Familie zuerst etwas zurückgeben kann: Der Heischegang sei nämlich eine ziemlich anstrengende Angelegenheit, die nicht spurlos an den aufgeweckten Akteuren vorübergeht.

So ganz ohne Lichtmess-Spuren kommen aber auch viele Schaulustige, die sich am Straßenrand postiert haben, nicht davon. Glücklich fühlen kann sich, wer von den Pritschern einen Klaps auf den Hintern bekommt. Denn, das Entfernen der dicken Ruß-Striche, die die Schwarzmacher vorwiegend weiblichen Gästen ins Gesicht schmieren, dauert fast so lange wie ein Hausbesuch der Lichtmess-Gesellschaft.