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Kreispolitik Kreispolitik: Landrat Bannert zieht Bilanz

01.01.2014, 18:13
Landrat Frank Bannert: „Ich bin mit mir im Reinen.“
Landrat Frank Bannert: „Ich bin mit mir im Reinen.“ Peter Wölk Lizenz

Merseburg/MZ - Bis zur Landratswahl am 25. Mai 2014 sind es noch ein paar Monate Zeit, und doch wirft sie nach sieben Jahren Amtszeit auch für den Amtsinhaber ihre Schatten voraus. Es ist an der Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Mit Frank Bannert sprachen Dirk Skrzypczak und Felix Knothe.

Herr Bannert, es kann sein, dass es Ihre letzten Monate im Amt sind. Gehen Sie die anders an als sonst?

Bannert: Das ist alles möglich, da haben Sie Recht. Aber ich nehme das Geschäft immer ernst, und wir haben so viel zu tun, dass die Wahl nicht meinen Tag bestimmt. Ich war noch nie so mit mir selbst im Reinen wie jetzt.

Aber irgendwann muss der Wahlkampf ja einmal beginnen.

Bannert: (lacht) Erstmal muss die CDU einen Kandidaten nominieren. Im Ernst: Das Mandat beginnt einen Tag, nachdem Sie gewählt worden sind. Wenn Sie da als Amtsinhaber eine Bilanz vorweisen können, ist es für den, der es noch nicht gemacht hat, immer eine schlechte Voraussetzung.

Hört sich so an, als gingen Sie von einem Alleingang aus.

Bannert: Nein. Das haben Sie jetzt aber völlig falsch herausgehört. Es ist eine Gnade, etwas außergewöhnliches, wenn man Landrat sein darf. Das Amt erfordert Respekt. Ich werde mich nicht in irgendwelche Ebenen begeben, wo es um Belanglosigkeiten geht. Es geht einzig allein um die Frage: Wie steht dieser Landkreis da, und welche Zukunft hat er?

Sie sind der Landrat. Sagen Sie es uns.

Bannert: Ich habe da genug Selbstbewusstsein. Wir sind in Sachsen-Anhalt der Landkreis, der etwas Besonderes ist. Wir stehen nach wie vor als Wirtschaftskraft Nummer eins da, und das unangefochten. Unsere heilige Kuh, die Raffinerie in Leuna, macht 8 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Nebenan Rotkäppchen in Freyburg macht 800 Millionen. Das ist ein Zehntel, obwohl Sekt viel besser schmeckt als Öl. Aber ich sehe auch Probleme für die Zukunft, die wir angehen müssen: Die Energiepolitik ist für den Saalekreis existenziell. Wenn der Energiepreis steigt, heißt das, dass die energieintensiven Betriebe abwandern. Das sind internationale Konzerne, das müssen wir begreifen. Die Zukunft des Saalekreises liegt in seiner Wirtschaftskraft. Die Wirtschaftsfreundlichkeit muss täglich errungen werden. Menschen neigen im Wohlstand dazu, zu vergessen, wo der Wohlstand herkommt, dass es Industrieanlagen gibt, die vielleicht nicht schön anzuschauen sind, dass es Fluglärm geben könnte, dass Stromtrassen gebaut werden müssen und dass eben die A143 gebaut werden muss. Die Menschen müssen weiter bereit sein, zu akzeptieren, dass Wirtschaft solche Dinge braucht.

Nehmen wir die A 143: Sie plädieren für den Weiterbau?

Bannert: Im Moment liegt das Teilstück bei 240 Millionen Euro für 13 Kilometer. Das können sie keinem mehr erklären. Trotzdem brauchen wir diese Autobahn, weil sie für den Saalekreis, für die Stadt Halle und für den mitteldeutschen Raum existenziell ist. Umweltschutz ist ein hohes Gut, wird aber immer teurer. Das muss man wissen, und dann haben wir zwei Alternativen. Franz Josef Strauß hat es extrem gesagt: Wollt Ihr wieder in der Höhle wohnen oder wollt Ihr ja zur Wirtschaft sagen? Wir haben fast schon vergessen, darüber nachzudenken.

Wie lange wird es dauern, bis der Kreis - Nord und Süd - vollends zusammengewachsen ist?

Bannert: Wir werden sicher noch eine ganze Weile brauchen. Wir tun aber konkret auch sehr viel, um das Zusammenwachsen zu befördern. Vier von fünf Straßenbauprojekten im nächsten Jahr werden im Nordkreis passieren. Die Situation ist sicher schwierig, weil sich die Menschen im Norden oft mehr in Richtung Halle als in den Kreissüden orientieren, also müssen wir auf lange Sicht auch Halle eingemeinden.

Ist das Ihr Ernst?

Bannert: (lacht) Nennen Sie es eine Vision ohne aktuelle politische Relevanz. Noch vor Jahren hätte ich gesagt: Fusion? Nie und nimmer. Heute kann ich zumindest darüber nachdenken, auch wenn es noch ein Scherz bleibt. Denn es gibt auch genug Gründe dagegen. Wir hätten dann fast 400 000 Einwohner. Das würde im Land ein viel zu großes Ungleichgewicht schaffen. Als Vision hat es dennoch seinen Charme, vor allem wirtschaftspolitisch: Wir hätten im Saalekreis die großen Firmen, in Halle die universitäre Forschung. Das wäre über die Landesgrenzen hinweg eine Hausnummer. Aber es bleibt eine ferne Vision, denn wenn ich das jetzt ernsthaft verfolgen würde, könnte ich mich wirklich behandeln lassen – da hat Helmut Schmidt recht gehabt.

Wie würden Sie Ihren politischen Stil beschreiben? Manchmal hat man den Eindruck, es gebe gar keine Opposition gegen Sie?

Bannert: Der Kreistag ist der Dienstvorgesetzte des Landrats. Aber ich habe gelernt, wie man mit einem Chef umgehen muss - mit Hochachtung. Wenn sie einmal lügen, brauchen Sie nicht wiederkommen. Ich stachele die anderen auch nicht extra dazu an, böse zu werden. Mir geht es um die Sache, und dann unterstütze ich selbstverständlich auch Anträge der Linkspartei, wie ich das beim Thema Kinderarmut gemacht habe. Das Ergebnis ist, dass wir uns in der Familienpolitik heute sehen lassen können. Ich will sagen: Man kann eine riesige Debatte führen. Oder man kann Dinge in den Kreistag bringen, die dann auch durchgehen. Toi toi toi: In 24 Jahren sind alle Vorlagen, die ich geschrieben habe, durchgegangen.

Wäre nicht ein bisschen mehr Streit auch produktiv?

Bannert: Der findet ja statt, in den Ausschüssen zum Beispiel, bei sensiblen Themen auch nicht-öffentlich. Dann geht es oft auch wirklich zur Sache - aber eben nur um die Sache. Helmut Kohl hat immer gesagt: Entscheidend ist, was hinten raus kommt. Da nützt es nichts, einfach dagegen zu sein.

Sind Sie mit dem, was Sie erreicht haben, zufrieden oder streben Sie noch nach Höherem?

Bannert: Wer etwas gut macht, macht sich immer verdächtig. Aber ich genieße mein Amt. Das Beste, was man erreichen kann, ist, dass man in sich ruht. Das ist ein langer Weg. Ich fühle mich hier wohl und aufgehoben.

Anders gefragt: Ist es besser, kleiner König in Merseburg zu sein als Knecht in Magdeburg?

Bannert: Ich habe lange einem Landrat gedient, ich habe keine Veranlassung, noch einmal jemandem dienen zu müssen. Man muss für sich selbst wissen, wo man das, was man will, am Besten umsetzen kann. Ich bin da kein Getriebener. Mein Platz ist hier.

Welche Pläne, welche Wünsche haben Sie für das neue Jahr - jenseits der Politik? Was ist ihr privates Projekt 2014?

Bannert: Für mich ist das Allerwichtigste, dass die Familie und natürlich auch ich gesundbleiben. Und ich möchte etwas mehr Zeit in meine Hobbys investieren. Zu Weihnachten habe ich mir ein Keyboard gekauft. Ich habe seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr gespielt. Ich will das jetzt wieder öfter machen - einfach für mich. Das Schöne ist: Ich bin nicht mehr unter Erfolgsdruck. Ein anderes Hobby ist das Filmen. Auch das will ich öfter machen.

Welchen Film würden Sie über den Kreis drehen: Krimi oder Märchen?

Bannert: Nicht so sehr einen Krimi – eher etwas mit historischer Kulisse. Es würde auf jeden Fall ein schöner Film werden.