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Politik  Politik im Wolfgangsstift: Köthener im Streitgespräch mit AfD-Vertretern Daniel Roi Hannes Loth und Ulrich Oehme

Von Helmut Dawal 29.06.2016, 18:56
Pfarrer Wolfram Hädicke moderierte und fühlte den AfD-Mitgliedern Daniel Roi, Hannes Loth und Ulrich Oehme (v.l.) auf den Zahn.
Pfarrer Wolfram Hädicke moderierte und fühlte den AfD-Mitgliedern Daniel Roi, Hannes Loth und Ulrich Oehme (v.l.) auf den Zahn. Ute Nicklisch

Köthen - „Sie können ehrenamtlich bei uns mitmachen. Schlagen Sie ein.“ Tom Aslan von der Initiative „Willkommen in Köthen“ reichte Hannes Loth die Hand. Und der AfD-Landtagsabgeordnete schlug ein, was das Publikum mit Applaus honorierte.

Loth will sich mit dafür einsetzen, dass die 40 unbegleiteten minderjährigen Ausländer (Umas) in Klepzig gut integriert werden. Nicht alle Einwohner des Köthener Stadtteils sind damit einverstanden, dass die jungen Flüchtlinge in einem Gebäude der Beschäftigungsgesellschaft BVIK untergebracht werden. Bürger wandten sich in dieser Angelegenheit auch an den AfD-Mann. Loth sieht noch viele Fragen ungeklärt.

Für ihn reicht es nicht aus, die Umas nur unterzubringen und ihnen nichts weiter zu bieten als einen „Blick auf die Pferdekoppel“. Er hält Bildungs- und Freizeitangebote für die Umas ebenso nötig wie weitere Gespräche mit den Klepzigern, um bei ihnen mehr Akzeptanz für die Flüchtlinge zu erreichen. Und ist damit auf einer Wellenlänge mit „Willkommen in Köthen“.

Der Handschlag zwischen einem Vertreter der Köthener Flüchtlingsinitiative und einem Mitglied der AfD, deren Positionen zur Flüchtlingspolitik umstritten sind, war ein überraschender Punkt des Rundtischgespräches, das am Dienstagabend im voll besetzten Bonhoeffersaal des Wolfgangstifts stattfand. Dazu eingeladen hatte die Köthener Jakobsgemeinde mit dem Anliegen, mehr über die AfD und ihre Ziele zu erfahren.

Gespräch als Schutz vor Parolen

„Gespräch ist in einer Gesellschaft immer wichtig.“ Das schickte Pfarrer Wolfram Hädicke voraus. Wichtig sei dabei auch, dass man sich in die Augen sehen könne, sein Gegenüber als Person wahrnehme. „Das schützt uns ein wenig davor, abzugleiten in Parolen oder Verletzungen oder gar in die ungefilterte Hemmungslosigkeit der sogenannten sozialen Netzwerke“, bemerkte Hädicke.

Auf Augenhöhe verlief dann auch die Diskussionsrunde, wenngleich die Meinungen teils weit auseinander gingen. Teilnehmer waren die AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Roi und Hannes Loth sowie Ulrich Oehme, Mitglied des AfD-Landesvorstandes Sachsen, Iris Brunar (Bürgerinitiative „Pro Elbe“), Tom Aslan (Initiative „Willkommen in Köthen“), der Köthener Stadtrat Georg Heeg (CDU) sowie Tizian Steffen vom Anhaltischen Theater Dessau.

Iris Brunar zeigte sich beim Thema Klimawandel und Energiepolitik verwundert darüber, dass in der AfD die Auffassung herrscht, der Klimawandel sei nicht durch Menschen gemacht. So werde beispielsweise gesagt, dass Kohlendioxid kein Schadstoff sei. Das sei zwar richtig, doch zu viel CO2 sei tödlich. Sie erwarte von einer Partei, dass sie bei einem solchen Thema besser recherchiere und fundiertere Aussagen treffe.

Hannes Loth entgegnete, dass es zum Klimawandel verschiedene Gutachten gebe. Was im Parteiprogramm stehe, könne noch weiter verbessert werden. Er persönlich sei für mehr C02 . Es fördere den Pflanzenwuchs, was dazu führe, dass mehr Sauerstoff an die Umwelt abgegeben werde.

Kritik für Pläne zur Atomenergie und Energieeinsparverordnung

Kritisch bewertete Wolfram Hädicke, dass die AfD die Laufzeit für Atomkraftwerke weiter verlängern will. Daniel Roi war der Auffassung, dass Deutschlands Austritt aus der Atomenergie „emotional unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe von Fukushima“ erfolgt sei. So lange es die Probleme mit den Erneuerbaren Energien und dem unzureichenden Netz noch gebe, sei Atomkraft als Brückentechnologie erforderlich.

Umwelt wird mitbeheizt

Als schlimm empfindet es Georg Heeg, dass die AfD die Energieeinsparverordnung abschaffen will. Wenn ein nichtisoliertes Gebäude beheizt werde, werde praktisch auch die Umwelt beheizt. Das sah Ulrich Oehme anders. Er vermisse bei den Themen Wärmedämmung oder Solar Aussagen zur Effizienz. „Was kostet uns die Herstellung einer Wärmedämmfassade energetisch, was kostet uns die Entsorgung? Was bringt Dämmung wirklich an Heizkostenersparnis? Wie verschlechtert sich die Wohnqualität“, warf Oehme Fragen auf. Das Styropor, mit dem Häuser gedämmt werden, sei eine einzige Katastrophe. Es führe zu Feuchtigkeit, der Putz müsse aller fünf Jahre erneuert werden, weil er moosig werde, das könne nicht die Herangehensweise sein.

Was will die AfD für Köthen tun? Köthen wie auch Bitterfeld-Wolfen hätten das gleiche Problem, antwortete Daniel Roi. Die finanziellen Mittel reichten nicht mehr aus, um die freiwilligen und Pflichtaufgaben zu meistern. Seit 2013 fahre Bundesfinanzminister Schäuble Rekordsteuereinnahmen ein, doch hier unten in Köthen, wo die Bürger wohnen, komme nichts davon an. Er wolle die Spirale umdrehen, damit bei den Kommunen wieder mehr Geld ankomme. Eine bessere Finanzausstattung erfordere eine starke Opposition, dafür engagiere er sich, betonte Roi. Unabhängig davon: Im April, kurz nach der Wahl, hatte Sachsen-Anhalts Landtag ein kommunales Sofortprogramm über 65 Millionen Euro für 2016 beschlossen.

Engagement wichtig

„Ich bin kein AfD-Fan“, betonte Aslan. Doch müsse man mit ihr im politischen Wettbewerb fair und demokratisch ringen, „auf Gentleman-Ebene und ohne, dass sich die Leute gegenseitig aufstacheln“. Wer die AfD nicht gern im Stadtrat, Landtag oder Bundestag sehe, der müsse sich engagieren und politischer werden. „Ich kenne mindestens 20 Leute in unserer Initiative, die wären besser im Stadtrat aufgehoben als die aktuellen Stadträte“, sagte Aslan.

(mz)

Iris Brunar (r.) kritisierte AfD-Positionen zum Klimawandel.
Iris Brunar (r.) kritisierte AfD-Positionen zum Klimawandel.
Ute Nicklisch
Diskutierten mit: Tizian Steffen, Tom Aslan und Georg Heeg (v.l.).
Diskutierten mit: Tizian Steffen, Tom Aslan und Georg Heeg (v.l.).
Ute Nicklisch