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Fragen und Antworten Fragen und Antworten: Jugendliche Flüchtlinge ziehen nach Klepzig

Von Stefanie Greiner 24.06.2016, 17:42
Rund 100 Klepziger nahmen an der Informationsveranstaltung auf dem Gelände der BVIK teil. Im linken und mittleren Teil der ehemaligen Schule, in der seit einigen Jahren sozial schwache Menschen leben, sollen minderjährige Flüchtlinge einziehen. Den Klepzigern gefällt das gar nicht. Sie fühlen sich überrumpelt, hätten gern nicht erst aus der Zeitung von dem Vorhaben erfahren. Neben BVIK-Geschäftsführer Ulrich Heller beantworteten auch Vertreter der Stadt und des Landkreises ihre Fragen.
Rund 100 Klepziger nahmen an der Informationsveranstaltung auf dem Gelände der BVIK teil. Im linken und mittleren Teil der ehemaligen Schule, in der seit einigen Jahren sozial schwache Menschen leben, sollen minderjährige Flüchtlinge einziehen. Den Klepzigern gefällt das gar nicht. Sie fühlen sich überrumpelt, hätten gern nicht erst aus der Zeitung von dem Vorhaben erfahren. Neben BVIK-Geschäftsführer Ulrich Heller beantworteten auch Vertreter der Stadt und des Landkreises ihre Fragen. Heiko Rebsch

Köthen - Sie wollten ihre Fragen loswerden. Ihre Fragen zur Unterbringung minderjähriger Flüchtlinge in Klepzig. Die Informationsveranstaltung nutzten einige der rund 100 Anwohner am Donnerstagabend aber auch, um ihrem Ärger Luft zu machen.

Seitdem bekanntgeworden ist, dass die Beschäftigungsgesellschaft BVIK auf ihrem Gelände junge Flüchtlinge unterbringen will, fühlen sich die Klepziger überrumpelt. „Sie hätten doch gleich die Karten auf den Tisch legen können“, sagte Ernst Nawrath.

An dieser Stelle sollen einige Fragen beantwortet werden.

Ziehen die minderjährigen Flüchtlinge nach Klepzig?

Die Antwort von Ulrich Heller war deutlich: „Wir werden dieses Konzept in Klepzig umsetzen.“ Ganz so einfach scheint das aber nicht zu sein. Denn der BVIK-Geschäftsführer braucht dafür eine Genehmigung. Die hängt zum einen vom Landesjugendamt ab. Das muss sein Okay geben. Zum anderen muss Ulrich Heller nachweisen, dass aus Brandschutzsicht alles in Ordnung ist. „Erst wenn die Einrichtung von allen Fachämtern genehmigt ist, gibt es die Umzüge“, betonte Peter Grimm, Jugendamtsleiter des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Ulrich Heller hofft, dass es bis zum 7. Juli so weit ist.

Wie viele Jugendliche sollen untergebracht werden?

35 bis 40. Diese Zahl wunderte Antje Beck. Die Klepzigerin zitierte einen Absatz der Richtlinien für Heimkinder des Landes. Darin steht, dass Heime für Kinder und Jugendliche nicht mehr als 30 Plätze haben sollten. „Diese Richtlinie ist nicht in Kraft getreten“, sagte Peter Grimm. Im Gespräch mit Antje Beck merkte er nach der Veranstaltung an, dass sich dennoch oft daran orientiert werde. Die MZ wollte dazu am Freitag mit dem Jugendamtsleiter sprechen, hat ihn allerdings nicht erreicht.

Warum bleiben die Flüchtlinge nicht in der Schule in der Rüsternbreite?

Das ehemalige Gymnasium war als Notunterkunft gedacht. „Die Schule wird niemals eine Genehmigung als Kinderheim bekommen“, machte Peter Grimm deutlich. Sie entspreche nicht der Norm, die in Deutschland für Kinderheime gelte, und habe deshalb nur eine Ausnahmegenehmigung. Aber es gibt noch einen Grund. „Ich möchte die Rüsternbreite wieder frei haben, um die Völkerfreundschaft sanieren zu können“, betonte Landrat Uwe Schulze (CDU).

Warum können die Jugendlichen nicht anderswo untergebracht werden?

„Es gibt in der Stadt genügend frei stehenden Wohnraum“, sagte Christina Buchheim, Landtagsabgeordnete (Die Linke) und Anwohnerin. Sie merkte an, dass den Jugendlichen mit Klepzig - weit ab vom Zentrum - kein Gefallen getan werde. „Ich habe keinen, der mir Wohnungen anbietet“, erklärte Peter Grimm. „Es gibt niemanden, der die Jugendlichen haben will.“ Mit Wohnungen allein sei es aber nicht getan. Auch Personal sei nötig. Dolmetscher, Pädagogen, Therapeuten. „Ich brauche Träger, die mir diese Voraussetzungen schaffen“, sagte der Jugendamtsleiter.

In welchem Teil der Schule werden sie leben?

Der linke und mittlere Teil des Gebäudes ist vorgesehen. Die Flüchtlinge sollen zu sechst in einer Wohnung leben, zwei teilen sich ein Zimmer. Sie haben damit mehr Privatsphäre als in der Rüsternbreite. Die Klepziger würden es befürworten, wenn die Jugendlichen den rechten Teil des Objekts nutzen. Mit Blick auf das Feld. Vom linken Teil aus - und das ärgert die Anwohner - könnten sie nämlich in ihre Gärten gucken.

Müssen Bewohner wegen der Flüchtlinge ausziehen?

„Nein“, sagte Ulrich Heller. Die Bewohner waren anderer Meinung. Ihnen sei gekündigt worden, monierten die Betroffenen lautstark. Der BVIK-Geschäftsführer sagte, dass einige die Wohnungen verwüstet hätten und deshalb ausziehen müssten.

Was bekommt der Objektbetreiber pro Person?

Zu den Finanzen wurde trotz Nachfrage der Anwohner nichts gesagt.

Wie soll sichergestellt werden, dass nichts passiert?

Die Anwohner hatten sich dazu konkrete Aussagen gewünscht. Sie merkten an, dass die Jugendlichen - wie deutsche Jugendliche auch - im Raufbold-Alter seien. Sie befürchten unter anderem, dass auf dem Friedhof nebenan randaliert werden könnte. „Das ist noch nicht vorgekommen und wird auch nicht vorkommen“, sagte Ulrich Heller. Über konkrete Maßnahmen zur Sicherheit wurde nicht gesprochen. Dass nichts passiert, dafür müsse der BVIK-Geschäftsführer sorgen, betonte Uwe Schulze.

Warum nimmt Köthen mehr junge Flüchtlinge auf als andere Altkreise?

Diese Frage interessierte Antje Beck. „Der Landkreis denkt nicht in Altkreis-Grenzen“, machte Peter Grimm deutlich. Er bekomme eine bestimmte Anzahl an Flüchtlingen zugewiesen, die auf Städte und Gemeinden verteilt werden müssten. Das sei nicht einfach. So dürften Jugendliche nicht mit Erwachsenen zusammen untergebracht werden. Plätze in Kinderheimen seien nötig, sagte er. Ulrich Heller habe sich angeboten.

In Köthen leben derzeit sechs minderjährige Flüchtlinge im Kinder- und Jugendheim „Arche“ der Jakobsgemeinde. Die Stiftung Evangelische Jugendhilfe St. Johannis Bernburg betreut elf Jugendliche in Bobbe und zehn in Köthen. Hinzu kommen die 35 jungen Flüchtlinge der BVIK. Im Landkreis werden Ende des Monats insgesamt 120 minderjährige Flüchtlinge leben. 20 weitere sollen im Herbst folgen. (mz)