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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Bewegender Abschied nach zwanzig Jahren

Von Ute Hartling-Lieblang 27.02.2012, 19:21

Osternienburg/MZ. - Hätte er manches vielleicht anders formulieren sollen, überlegt Pfarrer Michael Bertling, nachdem er am Sonntag in der Osternienburger Kirche die letzten Hände geschüttelt hat. Dieser Gottesdienst hat ihn sehr ergriffen. Nicht nur, weil die Kirche an diesem Tag so gut gefüllt war, wie sie es sonst nur zu Weihnachten ist. Es war sein Abschied aus der Parochie Osternienburg nach 20 Jahren. Fast seine gesamte bisherige Amtszeit hat der 50-jährige in den Dienst der Kirchengemeinden zwischen Elsnigk und Zehringen gestellt, nachdem er zuvor sein Vikariat in der Köthener Sankt Jakobsgemeinde absolvierte.

"Mein Anliegen war es immer, die Menschen in den Dörfern zusammen zu bringen. Ich wollte die Kirche in den Gemeinden sichtbar machen." Bertling kam als 44. Pfarrer nach Osternienburg und geht als einer von insgesamt nur vier, die über zwei Jahrzehnte dort wirkten. Dass diese Zeit fast identisch ist mit der Nachwendezeit, hob Kreisoberpfarrer Dietrich Lauter bei der "Entpflichtung" von Michael Bertling hervor.

Und so hat Bertling in den Pfarrgemeinden auch zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen miterlebt. Zum Beispiel in Osternienburg, wo heute nur noch eine Industrieruine darin erinnert, "dass es hier einmal mehr Arbeitsplätze als Einwohner gab", wie es Lauter formulierte. Viele Hoffnungsträger seien weggezogen. Auch die Zahl der Gemeindemitglieder ging zurück. Das habe im Jahr 2004 auch zu einer Reduzierung der Pfarrstellen geführt, erinnerte Lauter. Für Bertling gab es daraufhin nur noch eine halbe Pfarrstelle. Den Rest seiner Arbeitskraft stellte er auf Vorschlag der Evangelischen Landeskirche Anhalt in den Dienst der Polizeiseelsorge.

Nachfolge ist geregelt

Als Landespolizeipfarrer wird Michael Bertling die nächsten fünf Jahre nun einen Vollzeit-Job ausüben, da der Stellenumfang erweitert wurde. Hier sieht Bertling für sich ein großes Aufgabenspektrum. Die zunehmende Gewalt gegen Polizisten bewegt auch ihn. "Die Polizei schützt auch die Meinungsfreiheit in diesem Land", das werde oft vergessen, denkt der Pfarrer.

Offiziell endet seine Amtszeit in Osternienburg am 31. März. Möglichst zeitnah soll ihm Pfarrer Dankmar Pahlings, derzeit im Pfarrbezirk Zieko tätig, nachfolgen. Bei seinem Abschiedsgottesdienst in Osternienburg bedankte sich Pfarrer Michael Bertling am Sonntag bei seinen "Wegbegleitern, Förderern, Ermunterern, aber auch Kritikern". Dann nahm er die Worte des Kreisoberpfarrers zum Anlass, um zu erzählen, wie er die Zeit nach der Wende erlebt hat.

Neben den erwähnten Verlusten sieht Bertling vor allem auch viele Chancen, die die Wende mit sich brachte: "Die Kirche steht nicht mehr am Rande der Gesellschaft". Er selbst habe zehn Jahre als Religionslehrer an der Sekundarschule gewirkt. Ein Pfarrer, der zu DDR-Zeiten höchstens mal als Vater in einem Kindergarten in Erscheinung trat - "alles andere war undenkbar" - sei dort heute kein Exot mehr, freut sich Bertling. Doch manches kam völlig überraschend. Wie das Angebot des Landkreises im Jahr 1991, eine Kita in kirchliche Trägerschaft zu übernehmen. "Damals fühlten wir uns noch überfordert." Auch wenn Pfarrer Bertling einräumt, dass er die Unter-50-Jährigen mit seiner Arbeit weniger erreicht hat als die über 50, freut er sich doch über die immer regere Beteiligung der Kinder am Krippenspiel und am Martinsfest.

Am Ende steht neben rund 70 Trauungen und etwa 100 Taufen, die der Pfarrer in den letzten zwanzig Jahren vollzogen hat, auch der verbesserte Zustand vieler Kirchen in der Parochie. Am Beispiel Pißdorf wird das sehr anschaulich: "Anfangs fanden die Gottesdienste dort noch in einer Wohnung statt. Aus der ursprünglich geplanten Leichenhalle wurde später eine Kapelle für Gottesdienste. 2011 wurde der Kirchturm saniert. Inzwischen gibt es hier einen sehr engagierten Bauverein.

Ähnliche Fortschritte gibt es aus Osternienburg zu berichten oder aus Trebbichau / Aken, wo das Kirchendach 2004 bei einem Tornado stark zerstört wurde. "Natürlich bleibt noch vieles zu tun", weiß Bertling und nennt unter anderem die Kirchenglocken in Elsnigk, die Kirchenfassade in Osternienburg und natürlich das Pfarrhaus, aus dem er nun ausgezogen ist, um nach Köthen überzusiedeln.

Bleibt der Feuerwehr treu

Nur wenige Kilometer werden ihn in Zukunft also von seiner alten Wirkungsstätte trennen. Da sei ein Wiedersehen nicht ausgeschlossen, sagt Bertling. Schließlich behalte er ja seinen Predigerauftrag. Auf alle Fälle wird er aber der Feuerwehr in Osternienburg treu bleiben. Wie eng diese Verbindung ist, zeigte die Präsenz zahlreicher Kameraden beim Abschiedsgottesdienst und der anschließenden Feier im Gemeindehaus, zu der Bertling nach dem Gottesdienst eingeladen hatte.

Dankesworte und kleine Geschenke gab es am Sonntag nicht nur von den Gemeindekirchenräten, sondern auch vom Ortsbürgermeister Gerd-Peter Bartosch, der die gute Zusammenarbeit mit dem Pfarrer hervor hob.