1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Jubiläum in Bethau: Jubiläum in Bethau: Eine Kirche hat Geburtstag

Jubiläum in Bethau Jubiläum in Bethau: Eine Kirche hat Geburtstag

Von Gabi Zahn 10.12.2015, 17:47
Jahrhundertalte Feinmechanik: Einmal in der Woche steigt Siegfried Schmidt die 41 Stufen im Kirchturm hoch und zieht erst die Uhr und dann das Schlagwerk mittels Handkurbel auf.
Jahrhundertalte Feinmechanik: Einmal in der Woche steigt Siegfried Schmidt die 41 Stufen im Kirchturm hoch und zieht erst die Uhr und dann das Schlagwerk mittels Handkurbel auf. G. Zahn Lizenz

Bethau - Hell strahlen die Kerzen auf dem Altar in der Bethauer Kirche. Es sind zugleich Geburtstagskerzen. Gemeindemitglieder und Gäste feiern mit Pfarrer Hans-Jörg Heinze das 110-jährige Bestehen des Gotteshauses. Eine Ausstellung historischer Dokumente begleitet das kleine Fest.

Wer jedoch wissen will, welche Geschichten sich hinter den Bauaufzeichnungen und Fakten verbergen, der plaudert am besten mit Siegfried Schmidt. Der Bethauer kennt jeden Winkel des Gemäuers und einen Großteil seiner Geschichte aus eigenem Erleben. Seit mehr als einem halben Jahrhundert - kurze Unterbrechungen gab es aus beruflichen Gründen - kümmert sich der heute 78-Jährige darum, dass die Kirchturmuhr richtig tickt und die Glocken zur vorgesehenen Zeit läuten. Er erinnert sich: „Als 14-Jähriger habe ich damit angefangen. Mein Vorgänger Oswald Dreizehner hatte mir alles genau erklärt und gezeigt.“ Als Dreizehner den ehrenamtlichen Job aus Altersgründen aufgeben musste, konnte er ihn guten Gewissens dem Jüngeren überlassen.

Ein Blick zurück

Behutsam streicht Siegfried Schmidt über ein Schriftstück. Darin steht die Entstehungsgeschichte der Kirche: Ihr Vorgängerbau, 1796 entstanden, bekam zwar 1860 eine neue Orgel, doch die Bausubstanz war 1892 schon so desolat, dass beide Glocken vom Dachreiter abgenommen und vor dem Gebäude auf einem Holzgestell geläutet werden mussten. Ein Neubau wurde favorisiert, doch die Verhandlungen zogen sich in die Länge. Die Gemeinde votierte für einen massiven Turm, aber der Königliche Fiskus wollte Kosten sparen und nur einen Dachreiter bewilligen.

Nach acht Jahren setzten sich die Bethauer durch: „Im Frühjahr 1904 wurde die alte Kirche abgerissen und im darauffolgenden Monat an der gleichen Stelle der Grundstein für den Neubau mit massivem Turm gelegt. Den Auftrag hatte die Baufirma Wilhelm Kunze aus Annaburg erhalten. Der Staat erklärte sich bereit, zwei Drittel der Kosten zu übernehmen“, fasst Siegfried Schmidt das in der Chronik Notierte zusammen.

Prominenter Vorfahre

Schon ein Jahr später, am 14. November 1905, wurde das Gotteshaus geweiht. Seine Gesamtkosten sind mit 34.629,32 Mark überliefert. Schmidt berichtet anhand der Aufzeichnungen, dass sich vor dem Weihegottesdienst Ehrengäste, Geistliche und Mitglieder des Gemeindekirchenrates Bethau und Naundorf im Pfarrhaus getroffen haben. Der Herr Generalsuperintendent habe dabei „allerhöchst“ dem Bethauer Bürger Karl Dreißig - seines Zeichens Patronatsältester, Kirchenrendant (Kämmerer), Kirchenältester und Restgutbesitzer (Eigentümer eines kleinen Gutes) - das „Allgemeine Ehrenzeichen“ überreicht. Siegfried Schmidt schmunzelt und verrät: „Dieser Karl Dreißig war mein Urgroßvater mütterlicherseits.“ Dass bei diesen Worten ein klein wenig Stolz mitschwingt, ist verständlich. Schließlich hat der Urahn maßgeblich den Bau der Kirche vorangetrieben.

Herzblut für die Kirche

Siegfried Schmidt, der Urenkel, erfüllt nun die Mission und kümmert sich in anderer Weise um die Kirche. Mindestens einmal in der Woche steigt er die 41 Turmstufen nach oben. Im „Stübchen“ unter der Spitze befindet sich die mechanische Uhr, einst in Leipzig von Meister Bernhard Zacharia hergestellt. Etwa 70 Umdrehungen braucht Schmidt, um das Schlagwerk mit der Handkurbel aufzuziehen, einige weniger sind es bei der Uhr. Bis in die 1970er Jahre hat er auch die Glocken per Hand geläutet. Dann wurde ein elektrischer Antrieb eingebaut.

Auch Heinz Schmidt (57), der Sohn von Siegfried, hat das familiäre Herzblut für die Kirchenarbeit geerbt. Er ist der Ururenkel von Karl Dreißig und engagiert sich seit Jahren im Gemeindekirchenrat - gemeinsam mit Erika Ruprich (Vorsitzende), Roswitha Meilick und Andrea Gießberg.

Beim 100. Kirchengeburtstag wurde drei Tage gefeiert. Dieser Aufwand lässt sich kaum wiederholen. „Wichtig ist, dass die Kirche in gutem Zustand und als Ort des Friedens für uns und die nächsten Generationen erhalten bleibt“, bekundet Schmidt. Er blickt in die Zukunft: „Ich wünsche mir, dass in 15 Jahren zum 125-jährigen Jubiläum eine aktive Kirchengemeinde in diesem Gotteshaus feiert.“ (mz)