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Prinzenpaar beerbt den «Pleitegeier»

Von Michael Deutsch 11.11.2007, 20:05

Halle/MZ. - Wer bislang an die Sanierung des roten Turmes glaubte, der von oben bis unten mit Gerüstplanen verhangen ist, könnte irren. "Wir haben die Turmuhr zudecken lassen, damit keiner die Verspätung merkt", schickt Volker Rosenau den ersten Kalauer durchs Mikrofon. Denn der Karneval-Präsident des HSKV, der auf der Bühne vorm Rathaus mit seinen Jecken pünktlich um 11.11 Uhr in die "Fünfte Jahreszeit" starten will, bemerkt die drohende Verspätung.

"Herr Geier, zeig dich endlich", tönt er. Und Halles Finanzdezernent Egbert Geier, der am Sonntag die Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) vertrat, spurtet auf die Bühne, um den Rathausschlüssel an das frisch inthronisierte Prinzenpaar Lysann I. und David I. zu übergeben. Die Aufgabe seiner Amtsgeschäfte tut Geier nicht sonderlich weh. Im Gegenteil. Lächelnd rückt der Herr hallescher Finanzen den Schlüssel heraus. "Es ist ein gutes Gefühl, die Verantwortung loszuwerden", sagt er, beglückwünscht die Hoheiten und vermacht ihnen verbal gleich noch den ruinösen städtischen Haushalt von 280 Millionen Schulden und 300 Millionen Altdefiziten.

David und Lysann Branditz, die neuen Amtsinhaber, die beim Lieskauer-Karneval-Verein LCV 1953 schon dreimal das Prinzenpaar spielten, haben weiter gut lachen. Zumal sie von Geier ein Säckchen mit Klimpergeld bekommen. "Das ist alles, was im Rathaus noch übrig ist", legt er schalkhaft Rechenschaft ab und nimmt sich selbst auf die Schippe. "Es ist doch klar, dass ein Geier, der für Finanzen zuständig ist, Pleitegeier heißt. Ich überlege, ob ich in den Roten Turm ziehe, da könnte der Pleitegeier noch schöner über Halle kreisen", witzelt der Dezernent. Geiers Verwandlung zum Spaßvogel kommt gut an, die Stimmung steigt. Das Marktplatz-Publikum und die Narren der Karnevalsvereine bedanken sich mit einem kräftigen "Hallas Helau". Bevor die Mädchen der Schochwitzer Funkengarde vor dem von Regen heimgesuchten Publikum ein Tänzchen wagen, darf sich Geier über den Orden der diesjährigen Session freuen. Die ist unters Motto: "Ihr bringt uns nich aussenander" gestellt und soll - trotz des Eingemeindungs-Hick-Hacks - auf die innige Freundschaft der Karnevalvereine aus Halle und dem Saalekreis verweisen.

Aus diesem Grund hat Karneval-Vizepräsidentin Bärbel Steffen ein besonderes Versöhnungsgeschenk im Gepäck. Vor aller Augen legt sie Stadtvertreter Egbert Geier und Saalekreis-Urgestein, Ex-Landrat Knut Bichoel, Handschellen an. "Ihr müsst besser miteinander auskommen", fordert sie und zeigt auf den Befreiungs-Schlüssel an ihrer Kette. "Wenn ihr zu Ergebnissen gelangt, sagt einfach Bescheid".

Mit einem rund anderthalbstündigen Programm aus Büttenrede, Funken-, Garde- und Showtanz wird im Anschluss die neue Session gefeiert. Die wird bis zum 6. Februar - Aschermittwoch - andauern und mit rund 40 Veranstaltungen in den Vereinen gefeiert.