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Ohne Haarnetz kein Zutritt

Von Ralf Böhme 28.09.2001, 19:09

Teutschenthal/MZ. - "Wer findet schon gern ein Haar in seiner Suppe?", begründet Diplomingenieur Karl-Heinz Ehrwerth die umfassenden Hygienevorschriften des Unternehmens. Damit ist nicht gesagt, dass sich das Sortiment aus Teutschenthal auf Suppen beschränkt. Im Gegenteil. In den vergangenen Jahren hat sich dieser Betriebsteil auf die Abfüllung von vorgefertigten Soßen und so genannte Fix-Produkte spezialisiert, die den Akteuren am Herd das Leben erleichtern sollen. Spaghetti Bolognese, China-Pfanne oder Schlemmer-Fisch á la Bordelaise und vieles mehr - Tempo-Köche haben die Qual der Wahl. Es gibt fast nichts, was nicht in Beutel passt. Gegenüber 1994, so sagt Werkleiter Ludger Lohfink, haben sich Spektrum und Menge nahezu verdoppelt.

Das ist eine Entwicklung, die vor und kurz nach der Wende wohl niemand erwartet hat. Anette Germanus aus Steuden arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Abfüllung. "Da gab es nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen", meint die gelernte Süßwaren-Facharbeiterin. Mit geübten Griffen nimmt sie einen Stapel bunter Tüten und verstaut ihn in einem Karton - schon schiebt das Band das nächste Behältnis heran. Der Laie staunt - Anette Germanus redet weiter. "Nach 1990 sah es so aus, als müsste Teutschenthal dicht machen." Dass es anders gekommen ist, hängt letztlich mit einem Glücksfall des innerdeutschen Handels zusammen. "In den achtziger Jahren lieferte der extra neu ausgerüstete Betrieb diverse Getränkepulver für den Nestlé-Konzern, zu dem wir seit 1992 gehören."

Teutschenthal gilt seit Jahrzehnten in der Branche als sichere Bank, geradezu legendär ist die "Quick Cola"-Mischung, eine Eigenentwicklung aus dem Jahre 1967. Ludger Lohfink (63) als dienstältester Mitarbeiter erinnert sich, dass Teutschenthal damit 1980 beinahe in den Kreis der offiziellen Olympia-Lieferanten aufgestiegen wäre. "Nun, letztlich ist die Entscheidung dann doch zugunsten eines amerikanischen Weltkonzerns gefallen." Tatsache bleibt aber, so Technikchef Karl-Heinz Ehrwerdt, dass das Quick-Patent aus der kleinen Likörfabrik von Gerhard Koch in Halle stammt. "Das Familienunternehmen lief damals so gut, dass der Betrieb nach Umzug und Neubau in Teutschenthal verstaatlicht wurde."

Heute präsentiert sich der direkt an den Bahnanlagen gelegene Betrieb mit einer hochmodernen Ausstattung. Vieles, was vor Jahren noch per Hand erledigt worden ist, übernehmen mittlerweile Automaten. "Das sind Maschinen, die nicht in Serie gefertigt werden - Unikate für ungewöhnliche Aufgaben, zum Beispiel das bruchlose Einfüllen von Spaghetti." Wenn alles rund läuft, dann kann eine Mitarbeiterin bis zu drei Abfüllmaschinen gleichzeitig bestücken und überwachen.

Hartmut Pawliczok aus Teutschenthal ist einer von zwei Technikern pro Schicht und kennt das komplizierte Zusammenspiel aus Feinmechanik, Computertechnik und pneumatischen Steuerungen wie seine Westentasche. Ihn kann scheinbar nichts aus der Ruhe bringen: Überlegt und akkurat rückt er möglichen technischen Problemen zu Leibe.

Manchmal darf Wilfried Röhling dann einen Moment verschnaufen. Denn der Höhnstedter ist sozusagen der Mann für das Grobe. Ihm obliegt es nämlich, riesige Säcke mit Zutaten aus dem Lager an die Abfüllung zu schaffen. Zwar nutzt er dafür Hubwagen und Kran, aber immerhin hängen dann und wann bis zu 500 Kilogramm am Haken.

Was in die Tüte kommt, nimmt Hilke Bunk im Labor, das einer Küche der Zukunft ähnelt, noch einmal unter die Lupe. Neben den Kochplatten steht dort die Spezialwaage, liegen Pipetten, bestimmte Parameter speichert die schlanke Frau im Computer. Als die Kontrolle beendet ist, taucht zufällig Produktionsarbeiter Günter Sonnabend auf. Man muss ihn nicht lange bitten. Der stämmige Mann lässt sich die aktuelle Probe schmecken.