1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Halle
  6. >
  7. Nach Stunden kam Hilfe

Nach Stunden kam Hilfe

Von Martina Springer 20.06.2008, 16:46

Halle/MZ. - Nichts zu sehen, nichts zu hören ist von der 79-Jährigen, obwohl sie doch häufig schon sehr zeitig die Fenster zum Lüften öffnet oder die Blumen im kleinen Garten gießt. Schneider verspürt eine merkwürdige Unruhe, geht aber ins Haus zurück und widmet sich der täglichen Lektüre.

Nicht lange ist er ungestört. Nachbar und Freund Fred Schneidewind klingelt. Er ist recht aufgeregt. "Hast du Frau Knöttner gesehen? Die Rollos sind nicht hochgezogen, kein Fenster steht offen." Nun sind sie beide nervös. Irgendetwas ist anders als sonst, das spüren die Männer, ohne es konkret benennen zu können. "Hier in der Siedlung achtet man noch aufeinander", sagt der 77-jährige Schneidewind, "dadurch merkt man auch, wenn etwas nicht stimmt. Und an diesem Tag stimmte eben etwas nicht."

Die Männer laufen zum gegenüber liegenden Haus, schauen, rufen. Es kommt keine Reaktion. Dann bemerken sie ein offenes Kellerfenster. Auch das kommt sonst nicht vor. Sie blicken hinein, erkennen aber nichts. Trotzdem: Die alte Frau muss doch da sein, sie geht ohnehin nur noch selten weg. Und die ganze Woche über ist sie allein im Haus. Am Sonntag haben die Nachbarn noch gesehen, dass Wäsche von der Leine genommen wurde. Von diesem Zeitpunkt an aber bekommt keiner die Frau mehr zu Gesicht.

Schneidewind und Schneider fassen einen Entschluss: Wir rufen die Polizei! Sie kommt, wenig später fahren auch Feuerwehr und Krankenwagen vor. Ein Feuerwehrmann steigt durch das Kellerfenster - und sieht Elfriede Knöttner auf dem Boden liegen. Sie war offenbar die Kellertreppe hinuntergestürzt. Verletzt und hilflos hatte sie viele Stunden ausharren müssen. Nun kommt Hilfe, der Notarzt kümmert sich sofort um sie. Wenig später ist sie auf dem Weg ins Krankenhaus.

Inzwischen, und das erfüllt die Männer mit großer Freude, geht es der 79-Jährigen schon etwas besser. Schneiders Lebensgefährtin Brigitte Grube verbreitet die frohe Kunde nach einem Besuch im Krankenhaus. "Frau Knöttner hat sich riesig gefreut und mich schon von weitem erkannt." Nun hoffen alle auf weitere Schritte der Genesung.

Sind Wolfgang Schneider und Fred Schneidewind Lebensretter? "Na ja", sagen sie etwas verlegen, das sei vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Schneidewind, der - mit Unterbrechungen - seit 1949 in der Siedlung wohnt und sagt "Die Alten kenne ich alle", hält Aufmerksamkeit gegenüber den Nachbarn sowie Hilfe für selbstverständlich. Und Schneider setzt hinzu: "Man kann doch nicht gleichgültig sein gegenüber seinen Mitmenschen. Ein bisschen Fürsorge für den anderen sollte schon sein."