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Ausstellung "Trotz des Krieges!" Ausstellung "Trotz des Krieges!": Jürgen Reinholds Rückkehr nach Halle

Von MICHAEL FALGOWSKI 22.01.2015, 11:53
Geistig rege, humorvoll, interessiert: Der 91-jährige Jürgen Reinhold hat die Kustodie der Universität besucht.
Geistig rege, humorvoll, interessiert: Der 91-jährige Jürgen Reinhold hat die Kustodie der Universität besucht. Lutz Winkler Lizenz

Halle (Saale) - An die Warnung des Vaters hat Jürgen Reinhold später oft gedacht. „Junge“, hatte sein Vater Hermann gesagt, „wünsch dir das nicht, der Krieg ist kein Spaß.“

Der Sohn hatte sich gegrämt, dass er nicht, so wie der Vater gerade eben, 1939, an die Front ziehen durfte. Hermann Reinhold aber wusste, wovon er sprach. Denn schon 1914 war er als Student in Halle wie so viele andere einberufen worden und hatte an der Westfront gekämpft. Dreimal wurde er verwundet. „Der Krieg ist doch etwas Scheußliches“, hatte er schon damals nach Hause geschrieben. Mehr als 600 seiner Kommilitonen hatten das große Schlachten nicht überlebt.

Ausstellung "Trotz des Krieges!"

Von der Warnung seines Vaters erzählte Jürgen Reinhold, als er sich auf Einladung von Universitätsrektor Udo Sträter von Uni-Archivar Michael Ruprecht jetzt durch die Ausstellung „Trotz des Krieges!“ führen ließ. Die ist im Löwengebäude der Universität aufgebaut. Die Schau zeigt eindrucksvoll, wie sich der Erste Weltkrieg auf die Martin-Luther-Universität ausgewirkt hat. Zitate aus zahllosen Frontbriefen Hermann Reinholds kommentieren als eine Art Spruchband die Kriegsjahre und Ereignisse. Aber auch persönliche Gegenstände des Vaters aus den Kriegstagen hat Jürgen Reinhold zur Verfügung gestellt.

„Sie haben Glück, das Sie mich erreichen: Ich bin schon 91 Jahre alt“, hatte der in Essen lebende Jochen Reinhold gescherzt, als Ausstellungskurator Michael Ruprecht ihn angerufen und gefragt hatte, ob er denn vielleicht der Sohn von Professor Hermann Reinhold sei. Dessen Schicksal und Briefe wolle er verwenden. „Es kommt nicht mehr allzu oft vor, dass mich jemand nach meinem Vater fragt“, sagte Jochen Reinhold da.

Rückkehr in die Heimat

Gerne habe er also die Briefe und Dokumente zur Verfügung gestellt. Gerne sei er auch nach Halle gekommen. Was ja auch eine Rückkehr in seine Heimatstadt sei. „Ich bin in Halle geboren, Ludwig-Wucherer-Straße 56, Hinterhaus, dritter Stock“, hatte er sofort die Adresse parat. Erst mit 13 Jahren hat er Halle verlassen, als Professor Hermann Reinhold 1936 an die Universität Gießen berufen wurde.

Jürgen Reinhold ist 1941 dann doch selbst in den Krieg gezogen. Da war sein Vater schon verstorben. 1940 war das, aber nicht im Kampf an der Front, sondern an Krebs. Jura hat Jürgen Reinhold nach dem Krieg studiert und als Richter am Landgericht Gießen gearbeitet. Dann aber holte ihn der Krupp-Generalbevollmächtigte Berthold Beitz, einer der wichtigsten deutschen Industriemanager der Nachkriegszeit, in die Krupp-Firmenzentrale nach Essen. 20 Jahre leitete Reinhold als persönlicher Referent das Zentralbüro des Weltkonzerns.

Engagement für den Freikauf von DDR-Bürgern

Seine Freundschaft zu Beitz hat ihm auch eine andere Aufgabe eingebracht, die ihm wichtig wurde. „Teile meiner Familie aus Halle und Lützen wurden verhaftet und saßen zwei Jahre im Gefängnis. Dank unserer Kontakte konnten sie freigekauft werden“, sagt Reinhold. In der Folge engagierte sich der Hallenser sehr im Freikauf von DDR-Bürgern. „Jeden Donnerstag habe ich mit meine Sekretärin ausschließlich ,DDR’ abgearbeitet. Wir haben Listen mit Personen aufgestellt, die wir frei bekommen wollten. Rund 100 DDR-Bürger wurden so tatsächlich, auch durch persönliche Intervention von Beitz bei Erich Honecker, freigekauft. 100 weitere durften übersiedeln.“ Die meisten habe man zunächst im eigenen Heim aufgenommen.

„Es bewegt mich sehr, dass mein Vater hier gewürdigt wird.“

Jürgen Reinhold war froh, die Fahrt nach Halle angetreten zu haben. Nach der Führung durch die Ausstellung bedankte sich der 91-Jährige. „Es bewegt mich sehr, dass mein Vater hier gewürdigt wird.“ Er hatte jedoch wenig Zeit für sein Geburtsstadt Halle, die er nach mehr als 20 Jahren wieder besuchte. Das könne man ja wiederholen, sagte. Schließlich werde er 106 Jahre alt. Aber warum 106? „Man muss sich ja Ziele stecken. Und dann weitersehen.“

Die Ausstellung „Trotz des Krieges!“ ist im Löwengebäude, Universitätsplatz, noch bis zum 15. Februar zu sehen.