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"Angst um mein Leben" "Angst um mein Leben": Wie kann das Wildschweinproblem am Saugraben gelöst werden?

Von Oliver Müller-Lorey 20.11.2019, 05:00
Stefan Löper traut sich nachts kaum mehr vor die Tür. Wildschweine streifen in der Nähe seines Hauses umher und hinterlassen Spuren.
Stefan Löper traut sich nachts kaum mehr vor die Tür. Wildschweine streifen in der Nähe seines Hauses umher und hinterlassen Spuren. Silvio Kison

Halle (Saale) - Es ist schon lange dunkel, als sich Stefan Löper mit seinem Dackelmischling Gismo an einem Herbsttag noch einmal auf eine kurze Gassirunde begibt. Der 33-Jährige kennt sich aus in seinem Viertel, der nördlichen Neustadt, und geht gerne ein paar Schritte über die Lise-Meitner-Straße in die Grünanlage, die die Hochhaussiedlung von Heide-Süd trennt. Doch als er an einer kleinen Brücke ankommt, gefriert ihm das Blut in den Adern. „Im Gebüsch habe ich es Grunzen hören. Das müssen mehrere Wildschweine gewesen sein. Ich habe die Beine in die Hand genommen und bin nach Hause gerannt. Ich hatte Angst um mein Leben“, erzählt er.

Wildschweine nicht mehr weit vom Wohnviertel

Die Brücke führt ausgerechnet über einen „Saugraben“ genannten Bach - und der trägt seinen Namen offenbar völlig zu Recht. Umgegrabene Böden und Grasbüschel in den Grünanlagen in der Umgebung zeugen von einer regen Wildschwein-Aktivität. „Sie sind täglich im Park, sobald es dunkel wird und der Verkehr abnimmt. So ab etwa 20 Uhr“, sagt Löper.

Er kenne einige Nachbarn, die die Tiere auch schon gesehen hätten. Er selbst habe sie nur gehört, aber die Spuren seien eindeutig. „Das Problem ist, dass die Wildschweine nicht mehr weit vom Wohnviertel weg sind. Sobald sie die Straße überquert haben, sind sie mittendrin.“

Wildschweinproblem am Saugraben: Stadt kümmert sich nicht

Schon jetzt traue er sich im Dunkeln kaum noch in die Parks in der Nähe und habe Angst, wenn er das Haus verlasse. Nicht nur seinem Hund, sondern auch Kindern und Erwachsenen könnten die Tiere gefährlich werden. Bei der Stadt habe er sich bereits gemeldet, „aber mein Eindruck ist, dass sich niemand um das Wildschweinproblem kümmert“.

Seiner Meinung nach müsste ein Jäger sie erschießen. „Ich liebe Tiere und will eigentlich nicht, dass sie geschossen werden. Aber bei dieser Gefahr ist das eventuell die einzige Möglichkeit“, sagt er. Je größer die Rotte, desto mutiger würden die Tiere, und wenn man ihnen nicht bald Einhalt gebiete, könne das Problem aus dem Ruder laufen.

Jagd auf Wildschweine im Neustädter Wohnviertel nicht möglich

Die Stadt scheint das Problem als nicht besonders gravierend einzuschätzen und äußert sich gegenüber der MZ nur knapp. „Durch den Jagdausübungsberechtigten wird der Bereich regelmäßig kontrolliert. Wildunfälle sind in diesem Bereich nicht bekannt“, sagt der Leiter des Fachbereichs Sicherheit, Tobias Teschner.

Rund 200 Quadratmeter Grünfläche seien durch die Schweine beschädigt worden. Zu einer etwaigen Gefahr für Passanten oder die Möglichkeit, in Wohngebieten zu schießen, äußerte er sich hingegen nicht. Man begegne dem Problem, indem der „Jagdausübungsberechtigte“ in den Jagdbezirken „regelmäßig Schwarzwild bejagt“.

Dass eine Jagd in bewohntem Gebiet kaum möglich sein wird, glaubt der Vorsitzende der Jägerschaft Halle, Bernd Kiesbauer, der sein Revier allerdings nicht in der Saalestadt hat.

„In der Nähe der Bebauung zu schießen, geht kaum, weil der Jäger für jeden Schuss, den er abgibt, verantwortlich ist“, sagt er.

Die Gefahr, Unbeteiligte zu treffen, sei zu groß. Wieso die Wildschweine plötzlich in Neustadt einfallen, wisse er nicht. Es könne aber sein, dass das Schwarzwild aufgrund der abgeernteten Äcker nun andere Plätze zum Äsen und Decken suche.

Wildschweine rannten durch Bitterfelt-Wolfen: Stadt beauftragte Stadtjäger

Wozu eine Wildschweinplage führen kann, wissen die Einwohner Bitterfeld-Wolfens nur zu gut. Dort rannten die Tiere ab 2014 auch am helllichten Tag durch Stadtparks und über Schulhöfe. Anwohner hatten ähnliche Sorgen geäußert, wie nun Stefan Löper. Und die Stadtverwaltung hatte auch in Bitterfeld zunächst nur zögerlich auf die Schweine reagiert.

Schließlich wurde doch ein Stadtjäger bestellt, der die Tiere bei Drückjagden aus den Wohngebieten trieb und außerhalb schoss. Die Mühen hatten Erfolg: Die Zahl der Wildschweine und deren Besuche in der Stadt reduzierten sich binnen zwei Jahren. (mz)