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Eisleben Eisleben: In Reih und Glied zur Pflichtimpfung

Von GUDRUN RIEDEL 26.09.2010, 16:47

EISLEBEN/MZ. - Da sie damals keine Schultüte bekamen, hatten die Organisatoren des Treffens Siegrun Ballhaus, Inge Zander und Nanna Tschentke für jeden eine kleine gefüllte Zuckertüte parat. Die heutigen Nutzer der Schule, die Donner und Partner GmbH ermöglichte einen Rundgang durch die ehemaligen Klassenräume.

So manche Erinnerung machte dabei die Runde. Wo das Plumsklo auf dem Hof stand, wo das Lehrerzimmer war. Auch die Sitzplätze riefen Erinnerungen wach, wo jeder Platz zu nehmen hatte. Die Augen der Frauen leuchteten, obwohl sie sich bereits zum fünften Mal trafen. Gemeinsam erlebte Erinnerungen machten die Runde, und immer wieder stand die Frage im Raum: Wisst ihr noch? Und die Frauen wussten viel zu erzählen.

Denn immerhin haben sie acht gemeinsame Schuljahre in einer Zeit verlebt, wo Schmalhans in allen Lebensbereichen Küchenmeister war. "Meine Mutti hat mir den Schulanfang mit Schneeflocken aus gefärbten Haferflocken versüßt. Und damit ich schreiben konnte, hatte ich eine Schiefertafel mit Griffel, Schwamm und Lappen und eine Schultasche aus grobem Leinen", erinnerte sich Siegrun Ballhaus gerne an die Zeit des Schulbeginns. Auch daran: "Das Essen zur Schulspeisung schmeckte zwar so wie es aussah und die ganze Schule roch danach, aber die Ergänzung mit einem dunklen Brötchen war dennoch ein wichtiges Zubrot". Dass alle Läuse hatten, wurde anno 2010 genau so belächelt wie die Tatsache, dass alle Kinder in Reih und Glied zur Pflichtimpfung gegen Typhus, Diphtherie oder Tbc anzutreten hatten. "Vor den Spritzen, die wir in die Brust bekamen, hatten wir Kinder Angst", meinte Inge Zander. "Ja, so war das damals", der einhellige Tenor der heute noch rüstigen über 70-jährigen Ehemaligen, "alle mussten alles machen, da gab es keine Ausnahmen". Dabei wurde die Tatsache, dass die Klasse geschlossen 1951 der Pionierorganisation beitrat und den Namen "Klasse der blauen Tücher" während der ganzen Schulzeit mit sich trug, genauso mit Humor aufgenommen wie die Marotte einige Lehrer, die Mädchen grundsätzlich mit dem Familiennamen wie beim Militär anzusprechen und dass Musiklehrer Urbahn mit dem Geigenstock die Finger der Schülerinnen traktierte. Dass alle den schicken Physiklehrer Patzelt liebten und nur wegen ihm dieses schwere Fach sympathisch fanden, oder um eine gute Zensur im Geschichtsunterricht zu bekommen, einige Mädchen mit der Geschichtslehrerin zum Frühgottesdienst in die Kirche gingen.

Lobend erwähnte Frau Ballhaus auch die Patenbrigade vom Lademann-Schacht, mit der sie eine Fahrt nach Freyburg unternahmen und von den Kumpeln Interessantes über das Bergmannsleben erfuhren. Gisela Fäseke aus Sangerhausen, die Jahre als Lehrerin tätig war, berichtete launig über ihre Handarbeitsstunden und gab zum Besten, wie schwer es ihr doch gefallen sei, das Strümpfe-Stricken zu erlernen. Für Karin Langos, die aus Berlin zu dem Treffen angereist war, sind die Zusammenkünfte ein Stück Heimat. "Es war meine Jugend, das vergisst man nicht und weckt liebevolle Erinnerungen, die mir und uns keiner nehmen kann." Ähnlich die Krankenschwester Hiltraud Eberle, die aus Offenburg im Schwarzwald angereist war. Unter Tränen sprach sie von ihrer Jugend- und Schulzeit in Eisleben.