Gesundheit in Dessau-Roßlau Wenn jede Minute zählt: Schlaganfall-Experte erklärt, welche Warnzeichen jeder ernst nehmen sollte
Zum Welt-Schlaganfalltag hat die MZ mit einem Experten auf dem Gebiet aus dem Städtischen Klinikum Dessau gesprochen. Welche Warnzeichen jeder ernst nehmen sollte und worauf Betroffene hoffen können.

Dessau-Roßlau/MZ. - Schlaganfälle – in Dessau-Roßlau überdurchschnittlich oft vorkommend – sind deutschlandweit eine der häufigsten Todesursachen und führen nicht selten zu schweren, langanhaltenden Behinderungen. Anlässlich zum Welt-Schlaganfalltag am Mittwoch, 29. Oktober, hat die MZ mit Dr. Thomas Stache, Oberarzt der Klinik für Neurologie am Städtischen Klinikum Dessau sowie Leiter der Stroke Unit (deutsch: Schlaganfalleinheit), gesprochen. Der Schlaganfall-Experte klärt auf, wann jede Minute zählt.
Bei welchen Symptomen man direkt den Notruf (112) wählen sollte
Unter einem Schlaganfall, so Stache, wird eine ganze Gruppe von Krankheiten zusammengefasst. Der Großteil von ihnen, etwa 90 Prozent, entsteht, wenn ein Blutgefäß, das das Gehirn versorgt, von einem Blutgerinnsel verstopft wird. Wenn die Durchblutung einzelner Teile des Gehirns in der Folge gestört wird, droht Hirngewebe abzusterben. Ein Schlaganfall kann allerdings auch dadurch entstehen, wenn ein Blutgefäß im Gehirn reißt und es infolgedessen zu Hirnblutungen kommt.
Das Verstopfen oder Zerreißen eines Gefäßes im Gehirn habe viele Ursachen, sagt der Schlaganfall-Experte. Einer der Hauptgründe sei jedoch Arteriosklerose, eine Erkrankung der Gefäßwände, bei der sich Ablagerungen und Gerinnsel bilden. Auch wer Herzrhythmusstörungen hat, laufe erhöhte Gefahr, einen Schlaganfall zu erleiden. Gefäße werden zudem durch den natürlichen Alterungsprozess brüchig und können in der Folge reißen. „Beides, das Verstopfen und Zerreißen, passiert häufig spontan.“
Warnzeichen seien dann beispielsweise Sprachstörungen, halbseitige Lähmungen und Gefühlsstörungen, Seh- und Koordinationsstörungen, eine schwere Kraftminderung oder auch Schwindel – vor allem, wenn diese plötzlich auftreten, so Stache. „Man sollte diese Symptome ernst nehmen und gar nicht erst zum Hausarzt, sondern besser direkt 112, den Rettungsdienst, rufen, damit eine rasche Klärung der Ursachen erfolgt.“
Warum ein Schlaganfall oft nicht erkannt wird und was droht, wenn keine schnelle Behandlung erfolgt
Das Tückische am Schlaganfall: Die Warnzeichen können mitunter „nur für ein paar Minuten, manchmal sogar Sekunden“ auftreten und später wieder verschwinden. So komme es vor, dass sich Patienten in falscher Sicherheit wiegen, so der Experte.
Doch derartige Symptome sollten Betroffene nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ganz im Gegenteil. Eile sei geboten, stellt Stache klar: „Jede Minute zählt.“ Am Anfang seien es nur einzelne Hirnfunktionen, die in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Folge: In den ersten Minuten könne die moderne Medizin relativ viel retten, im Stundenbereich schon weniger. Nach einem Tag ohne Behandlung sei viel Gewebe in dem betroffenen Hirnareal dagegen unwiederbringlich zerstört. „Je schneller man einen Schlaganfall behebt, desto besser kann sich das Gewebe erholen. Akutmaßnahmen helfen nicht mehr, wenn das Gewebe bereits kaputt ist.“ Daher sei eine Behandlung zeitkritisch.
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Unbehandelt besteht die Möglichkeit, dass Patienten am Schlaganfall versterben oder Behinderungen bleiben. Das, was anfangs gegebenenfalls nur kurzzeitig aufgetreten ist, kann dann zum Dauerzustand werden: halbseitige Lähmung, eine eingeschränkte Schluckfunktion, Sprachstörungen. Die Konsequenzen sind teilweise starke Einschränkungen im Leben.
Wie man einen Schlaganfall vorbeugen kann und worauf Betroffene hoffen können
Doch der Mediziner macht Hoffnung: Mit frühen Rehabilitationsmaßnahmen und intensiven Therapien sei es möglich, die durch den Schlaganfall entstandenen Defizite wieder rückgängig zu machen. „Das Gehirn kann durch viel Übung dazu angeregt werden, neue Nervenbahnen zu bilden, die die Funktionen der zerstörten Areale übernehmen.“ Selbst ältere Patienten könnten davon profitieren.
Um einem Schlaganfall vorzubeugen, empfiehlt der Arzt, auf ausreichend Bewegung und eine gesunde Ernährung zu achten.
Zahlen, Daten, Fakten zum Schlaganfall - So steht Dessau-Roßlau im Landes- und Bundesvergleich da
Der Schlaganfall ist nach dem Herzinfarkt die zweithäufigste akute Erkrankung des Herz-Kreislauf-Systems und eine der häufigsten Ursachen für bleibende Behinderungen. Rund 200.000 Menschen erleiden jedes Jahr in Deutschland einen Schlaganfall, etwa 70.000 davon mehrfach. Besonders betroffen sind Menschen in Sachsen-Anhalt.
Das Bundesland belegt laut dem Gesundheitsatlas der AOK einen traurigen Platz zwei beim Anteil der jährlich betroffenen Bevölkerung (2,25 Prozent). Lediglich im Saarland (2,32 Prozent) erleiden mehr Menschen einen Schlaganfall. Am seltensten betroffen sind Bewohner von Hamburg (1,43 Prozent).
Die Zahlen verraten auch: Im Jahr 2023 haben 2,42 Prozent der Einwohner in Dessau-Roßlau einen Schlaganfall erlitten. Der höchste Wert seit 2017 wurde 2019 verzeichnet. In dem Jahr haben sogar 2,54 Prozent der Bevölkerung der Doppelstadt einen Schlaganfall bekommen. Derzeit befindet sich Dessau-Roßlau landesweit im oberen Mittelfeld. Bundesweit steht die Stadt unter allen Landkreisen und kreisfreien Städten noch schlechter da: Platz 23 von 401.