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Schule bei Fliegenschnäpper und Zapfenpflücker im Wald

Von Thomas Altmann 24.05.2005, 15:32

Jeber-Bergfrieden/MZ. - Eine ausgewachsene Rotbuche hat annähernd achthunderttausend Blätter. Diese erschaffen Sauerstoff für etwa fünfzig Menschen. Richtig oder falsch?

Auch wenn einige der Kinder köstlich skeptisch blicken, es stimmt. An der ersten Station hier im Wald auf dem Lehr- und Naturpfad Stackelitz stellt Franka Schumann, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, die ersten zehn Fragen. An acht Stationen gilt es, Punkte zu sammeln. Acht Gruppen sind unterwegs, gemischte Gruppen der Klassen 1 bis 4 der Grundschule Jeber-Bergfrieden. Viele Schüler haben schon Routine. Denn einmal im Jahr findet dieser beschauliche Unterricht statt.

Und überhaupt: "Man merkt den Unterschied zwischen Stadt- und Landkindern", sagt Revierförster Hans Kanthak, was naturgegeben sein mag. Besorgnis erregend dagegen sei, dass man ältere Schüler kaum noch erreiche. Noch vor einigen Jahren sei das anders gewesen. Die Sonne scheint durch das Laub, und gesellschaftliche Defizite artikulieren sich eben nicht nur in Buchungssätzen.

Der Förster erzählt den Kindern etwas über geschützte Tiere des Waldes. Sie stehen vor einem Nistkasten. Vor der Öffnung ist ein gewölbtes Blech mit einem Loch. Warum? Wegen der Katzen oder Marder? Auch. Ein Schüler weiß es. Das Blech bietet Schutz vor dem Sperling. Der nämlich pickt an jeder kleinen Holzöffnung, bis er seine Beute erreicht. Aber pssst! Und schnell weiter. Der Kasten ist besetzt. Hier brütet der Fliegenschnäpper.

Anderen Ortes liegen Zapfen auf dem Tisch. Forstwirt Heiko Tehsmer hat eine ganz eigene Spezialisierung. Der Zapfenpflücker erklärt den Kindern, wie die Sonne die Zapfen öffnet und die Samen vermöge kleiner Flügelchen schweben. Dann schnallt er sich an. Mittels Haifischzähnen geht es behende baumauf und mittels einer Abseilacht noch schneller baumab. Reinstes Saatgut braucht natürlich Reinheitsvorschriften. Dazu gehört, dass je nach Art eine ganz bestimmte Menge Bäume beklettert werden muss, um die genetische Breite zu gewährleisten.

Ein Frischling steht im Walde. Ein Abgesandter aus jeder Gruppe steigt auf die Plattform, um das ausgestopfte Tierchen im Unterholz zu erspähen. Das ist eine der Übungen hier beim stellvertretenden Forstamtsleiter Friedrich Lüddemann. Sein Thema ist die Jagd, wann, was, wie, warum geschossen wird also.

Heute könnten Jäger übrigens auch rote Kleidung tragen. Die Wissenschaft habe erkundet, dass diese Farbe vom Wild keineswegs als auffällig wahrgenommen werde. Anders sei es mit der Farbe Weiß. Rot, ja rot sind alle meine Kleider . . .

Rot sind dennoch einige Schilder. Was im Wald verboten oder erlaubt ist, wird an einer anderen Station verhandelt. Wie verhält es sich denn nun mit des Menschen liebstem Tier, dem Hund. Der darf im Wald ohne Leine laufen, vorausgesetzt, er bleibt in Sichtweite und ist gehorsam. Leinenzwang gebietet das Feld- und Forstordnungsgesetz aber in der Zeit vom 1. März bis zum 15. Juli, dann ziehen die Waldtiere ihre Jungen auf.

Am Ende der Tour sitzt Denis auf einer Bank und wischt sich die Füße mit einer Socke ab. Mit verbundenen Augen galt es, barfuß über Steine, Rinde, Laub zu gehen und den Grund zu erraten. Lernen also mit allen Sinnen. Danach gibt es Leckeres vom Grill. Rauchen im Wald ist (generell!) verboten. Auch Schlager haben offenbar einen Bildungsauftrag. Aber küssen im Wald ist erlaubt. Das steht in keinem Gesetz. Vermutlich.