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MZ-Gespräch mit Angelika Storz MZ-Gespräch mit Angelika Storz: «Nur aus Leiden ergibt sich eine Leidenschaft»

07.01.2003, 21:16

Dessau/MZ. - Oberbürgermeister Hans-Georg Otto, zuletzt auch IHK-Chef Albrecht Hatton kritisieren Dessaus Stadtrat: Themen würden immer wieder neu diskutiert, verlässliche Mehrheiten fehlen. Sind die Abgeordneten Schuld, wenn es in Dessau nicht voran geht?

Storz: Man darf eines nicht vergessen: Wir Stadträte sind ehrenamtlich tätig. Wenn ich die Stadt Dessau als Unternehmen betrachte, dann ist die Geschäftsleitung, dann sind Oberbürgermeister Hans-Georg Otto und Bürgermeister Jürgen Kessing, verantwortlich. Von dort müssen Vorschläge kommen. Das Prinzip wurde zuletzt aber immer auf den Kopf gestellt. Wir bekommen immer nur den Vorwurf zu hören, wir würden nichts tun.

Was erwarten Sie von der "Geschäftsleitung" der Stadt?

Storz: Wir haben im Haushaltsansatz für 2003 ein Defizit von 15 Millionen Euro. In den Ausschüssen beraten wir ab Donnerstag zwei Vorschläge der Verwaltung: höhere Hundesteuern und eine niedrigere Stundenzahl für die Fraktionsmitarbeiter der Parteien. Das muss man sich mal vorstellen. Vor allem letzteres ist eine ganz gezielte Desorientierung: Wir sollen uns untereinander zerfetzen, damit sich Herr Otto am Ende hinstellen und sagen kann, wenn die nicht mal sparen wollen, warum sollen wir das tun. Die machen es sich sehr einfach. Und um es einmal ganz deutlich zu sagen: Die Geschäftsleitung des Unternehmens Dessau verarscht uns. Da kommt nichts mehr. Die wollen nichts verändern.

Lässt sich der Dessauer Stadtrat das gefallen?

Storz: Wir sind seit 2000 auf dem richtigen Weg, fordern beispielsweise Stelleneinsparungen, eine Strukturreform, den Museumsverband. Passiert ist nichts. Wir haben drei Jahre verloren. Das müssen wir uns vorwerfen: Der Stadtrat hatte eine Verantwortung, die er nicht immer wahrgenommen hat. Wir lassen uns immer wieder übertölpeln. Voriges Jahr hat die Stadt den Abbau von 220 Stellen angekündigt. Dafür liegt immer noch kein Konzept vor. Wir müssen aufpassen, was dort passiert. Wir können nicht zufrieden sein, dass wir es geschafft haben, die Personalkosten in Dessau konstant zu halten, wenn das Volumen des Haushaltes immer weiter sinkt.

Das Volumen des Haushaltes sinkt auch, weil Dessau Einwohner verliert. Was halten Sie von der Prognose des Statistischen Landesamtes für 2015?

Storz: Ich nehme diese ernst, habe damit aber kein Problem: Venedig hat auch nur 75 000 Einwohner. Ich glaube nicht, dass Dessau mit weniger Einwohnern weniger Chancen hat. Wenn das Klima stimmt, das Fundament, die Qualität, wenn es Räume für Ideen gibt, dann kann eine Stadt Bedeutung erlangen. Wir können aus Wenigem viel machen.

Ist das eine Aufgabe für die "Geschäftsleitung" der Stadt?

Storz: Es ist eine Aufgabe für alle. Manchmal habe ich den Eindruck, nicht jeder leidet unter der Situation in der Stadt. Doch nur aus Leiden ergibt sich eine Leidenschaft. Wir wollen die Geschäftsführung viel stärker in die Pflicht nehmen: Wir wollen ganz konkrete Vorgaben machen, Termine setzen und dann ganz klar abrechnen.

Nächste Woche treffen sich die Fraktionschefs zum zweiten Mal außerhalb offizieller Zwänge.

Storz: Da wird all das Thema werden. Wir wollen umsteuern.

Mit der CDU? Die war zuletzt nicht eingeladen?

Storz: Die CDU hat eine Einladung. Neues Jahr, neues Glück.