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Mahner und Faktenlieferant

Von Thomas Steinberg 15.11.2005, 19:25

Dessau/MZ. - Katrina war gerade über New Orleans hinweggerast, hatte Zerstörung und Tod gebracht, da hob die Diskussion an: Konnte dieser Hurrikan nur deshalb so mächtig werden, weil der Mensch mehr und mehr Treibhausgase in die Luft pumpt? Für Jürgen Trittin schien der Fall klar. Da amerikanische Meteorologen nachgewiesen hatten, dass zunehmend Hurrikane mit größeren Windgeschwindigkeiten auftreten, mahnte er verstärkte Klimaschutzanstrengungen an. Längst ist das Klima Gegenstand der Politik (und diplomatischer Fehltritte) geworden, national wie international. Das ist insofern erstaunlich, als dass Politik dazu neigt, kurzfristig zu denken, während der Klimawandel eine Angelegenheit von Jahrzehnten ist.

Wenn Politiker in diesem Falle gegen ihre Neigung handeln, dann ist das nicht zuletzt Verdienst von Leuten wie Petra Mahrenholz. Sie sei, sagt sie von sich, eine stinknormale Meteorologin, eine, die seit 15 Jahren im Umweltbundesamt arbeitet . "Wir sitzen immer mit an den Tischen, wenn verhandelt wird." Als Mahner, als Lieferanten von Fakten zu einem höchst komplexen Thema, als Ideengeber.

Mahrenholz zweifelt nicht. Es wird wärmer werden auf der Welt. "Inzwischen gibt es etwa 30 Klimamodelle, und alle weisen in die gleiche Richtung", sagt sie. Und: "In den vergangenen Jahren haben wir gelernt, das Klima wesentlich besser zu verstehen."

Trotzdem, die Klimaforscher haben ein Problem: ihre Prognosen unterscheiden sich. Zum Teil erheblich. Denn nicht nur unterschiedliche Klimamodelle beeinflussen die Rechnung, sondern ebenso Annahmen über wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse: Wie schnell schreitet die Motorisierung Chinas voran? Welchen Einfluss hat die demographische Entwicklung? Wie schnell sind Techniken verfügbar, um Energie zu sparen oder den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken? Denn diese treiben

die Temperaturen nach oben. Kohlendioxid, wie es bei jedem Verbrennungsprozess entsteht. Geschehe nichts, sagt ein neues Thesenpapier des Uba, werde bis zum Jahr 2100 die Temperatur um 1,4 bis 5,8 Grad klettern und die Meeresspiegel würden steigen - langfristig um bis zu 90 Zentimeter.

Das Jahr 2100 scheint von heute aus betrachtet weit weg, die Küstenlinie von Dessau aus gesehen ebenfalls. Doch das Uba warnt: Der Osten Deutschlands zum Beispiel, Brandenburg vor allem und Sachsen-Anhalt, könnte zum "hot spot" werden, die sommerlichen Niederschläge zurückgehen, die Temperaturen um bis zu vier Grad Celsius steigen, Flüsse könnten im Sommer nur noch die Hälfte des Wassers führen, Lebewesen unter sommerlicher Dürre leiden.

Das Uba bringt die schlechte Botschaft von zukünftige Risiken aber auch Gegenmaßnahmen unters Volk. Es veranstaltet Workshops mit Unternehmern, mit Landwirten, mit Kommunen. Ziel: Das Bewusstsein zu wecken, etwas tun zu müssen. Und zwar sehr bald. Noch besser: sofort. Das Klima, erklärt, Mahrenholz, sei wie ein träger Tanker. Die Temperatur würde zunächst weiter steigen, selbst wenn der Ausstoß von CO sofort deutlich gesenkt werden könnte.

Und damit ist vorerst nicht zu rechnen, trotz aller internationalen Bemühungen, die sich im Kyoto-Protokoll ausdrücken. 1997 verabschiedet, legt es fest, dass die Vertragsstaaten bis 2012 ihren CO-Ausstoß um 5,2 Prozent unter das Niveau von 1990 drücken. Die Vorgaben für die einzelnen Länder sind unterschiedlich.

Deutschland z.B. ist dazu verpflichtet, um 21 Prozent zu mindern, die Entwicklungsländer sind vorerst ausgenommen - und die USA als größter Emittent. Deren Bundesregierung weigert sich, das Protokoll zu ratifizieren, während einzelne Bundesstaaten inzwischen scharfe Gesetze erlassen haben oder werden. Arnold Schwarzenegger gab als kalifornischer Gouverneur forsch die Parole aus: "It's time for action." Klimaschützer halten das Kyoto-Protokoll für einen lobenswerten Anfang - aber für unzureichend. Das Uba-Thesenpapier verlangt deshalb, dass die Industriestaaten ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern müssten. Unmöglich? Petra Mahrenholz vom Umweltbundesamt und andere Fachleute glauben das nicht. Einerseits müsste in Energieeinsprung investiert werden, andererseits in alternative Energieerzeugung.

Unbezahlbar? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, keineswegs verdächtig, grünen Träumen nachzuhängen, hat errechnet, dass die Schäden durch Klimawandel im Jahre 2100 bis zu 20 Billionen Dollar jährlich betragen könnten - währen drei Billionen in den Klimaschutz investierte Dollar die Schadenssumme auf acht Billionen Dollar begrenzen könnten.