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Hochwasser in Roßlau Hochwasser in Roßlau: Sonne brennt auf Brennpunkt

Von silvia bürkmann 07.06.2013, 18:42
Die Taucher der Wasserwacht vom DRK-Kreisverband dichten Regenwasserausläufe in der Südstraße ab.
Die Taucher der Wasserwacht vom DRK-Kreisverband dichten Regenwasserausläufe in der Südstraße ab. Flohr Lizenz

Rosslau/MZ - Der Monitor flimmert, das Festnetz-Telefon rasselt, ein I-Phone ruft die „Piraten der Karibik“ zur Flagge - und zwei schnöde beiseite geschobene Handys brüten dumpf auf der Schreibtischplatte. Doch jetzt hat das blechern scheppernde Funkgerät die Oberhoheit. „Was braucht ihr? Wo? Einen Saugschlauch für die Küchenbreite? Ist unterwegs!“

In der 1. Etage der Feuerwache Roßlau ist die „Technische Einsatzleitung“ eingerichtet im Kampf gegen das Hochwasser am nördlichen Elbufer. Ein Außenstützpunkt für das in Dessau wirkende Amt für Brand- und Katastrophenschutz/Rettungswesen. Derzeit sind die Männer und Frauen in der Innsbrucker Straße für die Leute von Feuer- und Wasserwehren, THW, DRK oder Johannitern einfach „der Stab“. Das Krisenzentrum. Denn Dessau-Roßlau lebt in Zeiten einer Katastrophe, einer extremen Hochwasserflut.

Die nachgeordnete „Kommandozentrale“ in der Roßlauer Feuerwache ist durchgehend besetzt mit zwei Kameraden. Am Donnerstag hält Mike Danier per Funk den Kontakt zu den Kräften an den drei Roßlauer Einsatzabschnitten Burg, Rosselbrücke und Südstraße. Marko Angermann kommuniziert mit dem Stab, nimmt die Anforderungen nach Mitteln und Fahrzeugen auf und leitet sie weiter. Und so reiht sich im Hof der Feuerwehr in der Karl-Liebknecht-Straße der Fuhrpark aus Feuerlöschfahrzeugen, Transportern, Gabelstaplern, Lkw oder Kippern stets auf’s Neue zusammen, um sich genauso umgehend wieder zu zerstreuen.

Und durch die bei prallem Sonnenschein weit geöffneten Fenster schallen auch auf kurzem Weg die Anfragen herauf: Was macht der Radlader für die Südstraße? „Haben wir nicht. Ist aber schon geordert. Da kommt einer aus Dessau rüber.“ Ein turbulenter Vormittag also für die technische Einsatzleitung. „Viel los?“ Marko Angermann macht große Augen und grinst. „Das ist doch ruhig. Absolut im ,Grünen Bereich’“. Angermann und Danier wissen, wovon sie sprechen. Die beiden Männer nämlich sind im bürgerlichen Leben außerhalb von Katastrophen Werkfeuerwehrleute im SKW Stickstoffwerk im Agro-Chemie Park Piesteritz. Und dort übernehmen sie am Freitag wieder ihre regulären Schichten.

Zwei Steinwurf weit entfernt, rollt am späten Vormittag die Wasserrettung vom DRK-Kreisverband Dessau-Roßlau in die Südstraße vor die Treppe zur Lehmbrücke. Die völlig überspült ist vom rückstauenden Rosselwasser und anrollenden Elbefluten. Hier drückt Wasser durch ein altes Rohr unter der Straße in den Betrieb der Rosseta Technik GmbH auf dem einstigen Werksgelände des Wissenschaftlich-Technischen Zentrums (WTZ). Diese Leckage unter Wasser zu beheben ist eine Sache für die DRK-Rettungstaucher. Deren Einsatzleiter Peter Ermisch hat fünf Taucher und fünf „Leinenführer“ zum Einsatzort geführt. Die zwei Rohrstutzen waren nach zehn Minuten unter Wasser geortet. Dann waren die Löcher mit Vlies und Sandsäcken abzudichten, um der Rosseta GmbH die trockenen Füße zu erhalten. Guido Schulze und Mechtfried Rensch tauchen mit Pressluft-Atmern auf dem Rücken hinab in die erdig-braunen Wogen.

Vom Eintauchen ins Wasser können die Kräfte auf der Straße nur träumen. Die Sonne prallt mit gnadenloser Intensität auf die Köpfe und Körper der Männer und Frauen. Den zusätzlichen Ein-Meter-Wall aus großen Big-Packs entlang der Südstraße stabilisieren die Freiwilligen Feuerwehren am Fuß noch einmal mit weiteren Sandsäcken. Wehrleiter Kai Kunert aus Meinsdorf ist wieder mit seiner 14- Mann-Truppe am Ort des Geschehens. Unterstützung im Einsatzabschnitt geben jetzt die Kameraden aus Streetz/Natho. Wie Hans-Jürgen Krach erzählt, waren die Streetz/Nathoer zuvor schon in Großkühnau und in der Ludwigshafener Straße im Sandsack-Einsatz. „Nun kommen wir eben an den Brennpunkt nach Roßlau.“

Wer in der Südstraße unter der Kastanienallee zum Einsatz kommt, nimmt den Schattenplatz dankbar an. Auch für den zentralen Versorgungspunkt auf dem Parkplatz vor dem Restaurant „Am Schloßgarten“ hatte die Einsatzzentrale am Vormittag dringend nach einem großen Zelt gefahndet. „Und immer Getränke. Sonst kippen uns die Leute noch um.“

Weil „der Planet“ unbarmherzig brennt, cremen sich die Helfer entlang der Südstraße dick mit Sonnenschutz ein. In der Feuerwache war dieses Hilfsmittel mit einer Mahnung ausgegeben worden: „Nicht vergessen! Aber nicht verschwenden. Wir sind noch eine Weile hier.“

Darauf legte auch Wehrleiter Enrico Schammer in der Frühbesprechung Wert: „Hier darf keiner denken, dass das Hochwasser vorbei ist. Das dicke Ende kommt noch!“