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Gereift nach der Reifeprüfung

Von Stefanie Hommers 28.12.2004, 20:43

Roßlau/MZ. - Am Montagabend ist sie jedoch in erster Linie wegen ihrer eigenen Schüler in die Elbe-Rossel-Halle gekommen. Denn als Lehrerin für Deutsch und Russisch ist sie inzwischen an die Schule zurückgekehrt, an der sie einst ihr Abitur gemacht hat. Ein doppelter Grund zum Feiern.

Nach Jahrgängen geordnet, sitzen die Ehemaligen an langen Tischen, frisch ins Leben Entlassene ebenso wie Männer und Frauen, die schon auf eine lange, erlebnisreiche Biographie zurückblicken könne. "Wir sind die Ältesten hier", bekennt Dietmar Wolff. Und das klingt durchaus vergnügt. Zusammen mit Falk Zander, Lothar Horn, Lutz Irmer, Udo Thielemann und Heiner Brett bilden die sechs Männer den harten Kern jener Klassen, die in den Jahren 1961 und 1962 ihre Reifeprüfung in Roßlau ablegten. Und sie erinnern sich an jene Zeiten, als das Absolvententreffen noch Traditionsball und später Wiedersehenstreffen hieß.

"Festlicher" sei es damals zugegangen, findet Falk Zander. "Natürlich verklärt man in der Rückschau immer ein bisschen, aber wenn früher zum Tanz der Jahrgänge aufgespielt wurde, war das schon eine ganz besondere Atmosphäre und verdeutlichte die Verbindung von Menschen allen Alters zu ihrer ehemaligen Schule", bekennt er, während aus den Lautsprechern auch an diesem Abend durchaus Tanzbares erklingt. "Aber das hat eher Disco-Charakter", so Zander.

"Wenn jetzt ein Klavier hier stände, würde ich glatt in die Tasten greifen", lacht Dietmar Wolff. Als begeisterter Musiker erinnert er sich besonders gern an seinen ehemaligen Musiklehrer. "Den schätze ich heute noch." Im letzten Jahr sei auch ihre Biologielehrerin Frau Teichmann da gewesen, erinnern sich die Herren. "Und die kannte noch jeden von uns mit Vor- und Zunamen", schwärmt Lutz Irmer.

Klar habe man den Lehrern auch Streiche gespielt: das Fahrrad des Erdkundelehrers hing einst hoch oben am Kartenständer, der Klassenkasper stibitzte die gerade geschriebenen Kurzarbeiten und korrigierte sie heimlich - jeweils mit dem Füller des originären Schreibers... Noch vieles mehr fällt Falk Zander ein; in der Erinnerung bleiben die Lehrer aber trotz allen Schabernacks vor allem eines - Respektspersonen. Da sind sich die Herren einig.

Zu den Festgästen gehört auch Bürgermeister Klemens Koschig, Abiturjahrgang 1976. "Ganz schön rot" sei die Schule damals gewesen, urteilt das Stadtoberhaupt, gelernt habe er gleichwohl eine ganze Menge. "Wer hier das Abitur geschafft hat, ist auch durchs Studium gekommen." Und weil Klemens Koschig findet, "auch die heutigen Schüler müssen spüren, dass die Ehemaligen zu dieser Schule stehen", ist er jedes Jahr mit von der Partie - einst beim Traditionsball, nun beim Absolvententreffen.

Während bei den älteren Jahrgängen die Erinnerung an die Schulzeit wachgerufen wird, sind die jüngeren eher neugierig darauf, was die einstigen Mitschüler jetzt so machen. "Fast alle sind ja aus Roßlau weggegangen", so Felix Wagner, Abi-Jahrgang 2003 und inzwischen Wirtschaftsinformatikstudent in Halle. "Der alte Freundeskreis ist eindeutig wichtiger als die Schule", so sein Urteil.

Kathleen Neunbauer wirft derweil neugierige Blicke in die Runde. Zusammen mit einigen Mitschülerinnen hat die angehende Abiturientin einen Stand mit Infomaterial über die Schule aufgebaut. Und auch wenn dieser Abend für sie eher im Zeichen von Arbeit steht, ist sie sich jetzt schon sicher, dass sie im nächsten Jahr, nach bestandener Prüfung, mit zu den Feiernden gehören wird. "Auf jeden Fall, das ist eine Tradition, die ich sehr schätze und wichtig finde."

Schuldirektor Hans-Henning Messer dürfte dieses Bekenntnis freuen. "Manche denken ja nach dem Abitur erst Mal ,endlich geschafft' und wollen von Schule nichts mehr wissen. Wenn sie dann doch wiederkommen, sich gern erinnern, freut einen das als Lehrer natürlich." Deshalb ist der Schulleiter jedes Jahr aufs Neue gespannt auf die Ehemaligen, darauf, welchen Lebensweg sie eingeschlagen haben. "Denn einen kleinen Anteil hat man ja schließlich auch an dem, was aus den Leuten geworden ist."