Freundliches Guten-Morgen nach sechs Wochen Ferien

DESSAU/MZ. - Vanessa, Schülerin der 9. Klasse, steht auf dem Schulhof der Sekundarschule "An der Stadtmauer". Es ist Viertel Zehn, die erste Hofpause nach den großen Ferien. Für sie und ihre Freundinnen Franziska, Stephanie, Lysanne und Marie-Luise bringt das neue Schuljahr einige Veränderungen mit sich: Ihre bisherige Klassenlehrerin ist jetzt an mehreren Dessauer Schulen tätig und konnte ihre Klassenleiterfunktion nicht mehr ausführen. Ihre Nachfolgerin kennen die Schülerinnen bisher kaum. "Sie unterrichtet in unserer Klasse Deutsch und scheint ganz nett zu sein", berichtet die 14-Jährige.

Das Problem der Abordnung von Lehrkräften beschäftigt auch Birgit Lindner und ihren Kollegen Lattisch. In einem Hinterzimmer des Sekretariats, dem Stellvertreterzimmer, sitzen sie grübelnd über den Stundenplänen, die sich, obwohl das Schuljahr bereits begonnen hat, immer noch in einer Prozessfassung befinden. Die beiden Lehrer leiten amtierend die Schule, da die bestellte Direktorin Doris Hacke in diesem Jahr auch die Leitung der Sekundarschule Kreuzberge in Dessau-Süd übernommen hat. "Sie hält natürlich Kontakt zu uns, kann aber nicht dauernd anwesend sein", erklärt Birgit Lindner.

Die 111 Schüler der Klassenstufen sieben bis zehn der Sekundarschule, sowie der achten und neunten Klasse "Produktives Lernen", die in einem separaten Bungalow untergebracht sind, werden von 20 Lehrern unterrichtet. Immer mehr von ihnen sind jedoch auch in den Sekundarschulen "Am Rathaus", "Friedensschule", "Zoberberg" Kreuzberge sowie in der "Schule an der Muldaue", einer Förderschule für Körperbehinderte, eingesetzt. "Da kein fester Lehrerstamm mehr besteht, ist es sehr schwierig, konstant zu arbeiten", erklärt Lattisch. "Aber genau das bräuchten die Schüler doch."

Für die ersten beiden Schultage haben jetzt alle Schüler einen Aushilfestundenplan erhalten. Nach zwei Klassenleiterstunden, in denen unter anderem die Leihbücher verteilt werden, hat Vanessa jetzt noch je eine Stunde Biologie, Geografie, Physik sowie Kunsterziehung. Um 13.15 Uhr kann sie sich auf den Heimweg machen. Ihre Freude auf das neue Schuljahr hält sich noch etwas in Grenzen. "In den Ferien war ich während einer Kreuzfahrt in Schweden, Finnland, Russland, Polen und Österreich", erzählt sie. "Als ich wieder zu Hause war, hat sich aber doch irgendwann die bekannte Langeweile eingestellt."

Langeweile - für die Sekretärin Katrin Palm bleibt dies heute ein Fremdwort. Bei ihr mehren sich die Anfragen wegen der Busfahrkarten, die die Schüler erhalten, die weiter als drei Kilometer von der Schule entfernt wohnen. Die knapp dreißig betroffenen Jungen und Mädchen mussten sich diese bisher persönlich im Sekretariat abholen. In diesem Jahr sollten sie per Post nach Hause gesendet werden. Nur funktionierte dies offensichtlich in den wenigsten Fällen. "Ich habe mit den Stadtwerken und dem Schulamt telefoniert", bleibt sie gelassen. "Das Problem ist ihnen bereits bekannt und auch an allen anderen Schulen in der Stadt aufgetreten."

Die pädagogische Mitarbeiterin Brigitte Marsch betritt das Sekretariat nach der großen Pause. In der Hand hält sie eine Holzkiste mit Tischtenniskellen. "Die zahlreichen Tischtennisplatten auf dem Schulhof sollen in diesem Jahr endlich richtig genutzt werden", sagt sie. Hier können sich die Schüler nach anstrengenden Unterrichtsstunden erholen.

"Generell freue ich mich ja auf das neue Schuljahr, aber im Hinterkopf ist natürlich der Gedanke, dass dies unser letztes Jahr in diesem Haus ist", meint die Mathematik- und Chemielehrerin Birgit Lindner. "Das stimmt uns alle traurig." Der Schulstandort soll erhalten bleiben, voraussichtlich als Grundschule. Als Gründe für die Schließung gelten vorrangig die sinkenden Schülerzahlen.

Von all dem Stress hat der Hausmeister der Schule, Andreas Zimmer, bisher eher wenig mitbekommen. Seit sechs Uhr ist er bereits auf den Beinen. "Als mir heute früh das erste freundliche Guten Morgen! entgegen schalte, habe ich mich schon etwas gefreut, dass es endlich wieder losgeht."