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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: «Dilettantisch, unseriös, gefährlich»

Von STEFFEN BRACHERT 09.11.2010, 18:06

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Philipp Oswalt, der Chef des Bauhauses, wird am deutlichsten. Der Masterplan Kultur? Dilettantisch. Unseriös. Unbelastbar. Abstrus. Diffus. Fehlerhaft. Gefährlich. Gefährlich? "Das Papier", sagt Oswalt, "ist unter dem Niveau, das diese Stadt braucht. Es schadet der Stadt."

Heftige Reaktionen

Vor einigen Tagen hat Gerd Raschpichler, Dessau-Roßlaus Dezernent für Gesundheit, Soziales und Kultur, seinen umstrittenen Masterplan Kultur online gestellt - mit heftigen Reaktionen, die am Dienstag noch einmal konzentriert vorgebracht wurden: Im Beatclub, einem alternativen Veranstaltungszentrum, hatte Uwe Weber von der Initiative "Land braucht Stadt" Betroffene versammelt, die im Masterplan Kultur eher unfreiwillig eine Hauptrolle einnehmen - oder gar nicht erst drin auftauchen.

Bauhaus-Direktor Philipp Oswalt ist da, Joachim Landgraf, der Verwaltungsdirektor des Anhaltischen Theaters, Thomas Markworth, der Präsident der Kurt-Weill-Gesellschaft, Andreas Gelies, Vorstand im Kiez, und auch Regina Gröger vom Verein zur Förderung der Stadtkultur. Frust, Ärger und Ablehnung sind mehr als spürbar.

"Wir wollten den Masterplan unkommentiert lassen", gibt Markworth zu. Das Papier, das die Kultur der Stadt zukunftsfähig machen soll, sei in keinster Weise so weit, dass man es diskutieren könne. Doch Dessau-Roßlaus Masterplan Kultur hat mit der Veröffentlichung im Internet eine eigene Dynamik bekommen. "Es wurde", findet Landgraf, "den Stadträten untergejubelt." Am Mittwoch steht das Papier auf der Tagesordnung des Finanzausschusses. Am Donnerstag berät der Wirtschaftsausschuss darüber. Kommende Woche ist der Kulturausschuss dran. Im Dezember ist der Beschluss im Stadtrat geplant.

Das wollen Betroffene, die bei der Erarbeitung des Masterplanes nicht einbezogen waren und das komplette Papier auch nur aus dem Internet kennen, mit aller Macht verhindern. Ihre Forderung ist eindeutig: Eine Überarbeitung des Masterplans wird abgelehnt. "Der Aufwand wäre einfach zu groß", sagt Markworth. Der Masterplan soll grundsätzlich verworfen - und komplett neu erarbeitet werden. Allerdings nicht in Zuständigkeit von Raschpichler. Der hat mit seinem Masterplan-Alleingang viel Vertrauen verspielt.

Fehler und Unzulänglichkeiten

Jeder im Beatclub kann elementare Fehler und Unzulänglichkeiten in dem 59-Seiten-Papier benennen. Da wird für das Theater eine dauerhafte institutionelle Förderung von mindestens 50 Prozent gefordert. "Das ist weniger als wir jetzt haben", schüttelt Landgraf nur den Kopf. Da wird das Anhaltische Theater zu regionalem Engagement aufgefordert. "In der vergangenen Spielzeit wurden 179 Vorstellungen in der Region gegeben", zählt Landgraf auf. Da wird gefordert, dass sich die New Yorker Kurt-Weill-Foundation an einer Dessauer Kurt-Weill-Stiftung beteiligt. "Weiß eigentlich irgendjemand, welch extremen Aufwand wir betrieben haben, um das Verhältnis zur Foundation zu verbessern?", sieht Markworth diese Bemühungen torpediert. "So etwas steht im Internet. Das ist keine regionale Lustigkeit." Und wo ist in dem Plan eigentlich die Vereinskultur? "Das ist ein Traumdokument mit Träumen, die nicht ungesetzt sind", findet Regina Gröger, die mit dem Verein zur Förderung der Stadtkultur das Leopoldsfest organisiert. "Es fehlt der Versuch", sagt Gelies, "mit Kooperation und Vernetzung die Vielfalt der Kultur zu erhalten. Trotz weniger werdender Mittel."

Der Masterplan Kultur findet nach Meinung der Kritiker aber vor allem keine Antwort auf eine Zukunft mit weniger Geld und weniger Einwohnern. "Das Papier macht keine Kernaussagen und enthält keine überprüfbaren Lösungsansätze für die vielen Probleme, die es gibt", kritisiert Markworth. "Der Masterplan macht ein Riesenfass an Wünschen auf und verschiebt alle Probleme an Dritte", findet Oswalt. Der Bauhaus-Direktor hat nachgezählt. "Das Papier enthält acht Bauvorhaben, von denen es bei acht keinerlei Angaben zu Baukosten gibt." Da werde populistisch jeder mitgenommen, ohne dass folgende Betriebskosten irgend eine Rolle spielen.

Papier als Provinzposse

"Wir", sagt Markworth, "vermissen den Plan im Masterplan." Und nicht nur das. "Der Masterplan Kultur als Begriff steht für eine Diskussions- und Entstehungskultur", sagt Gelies. Es fehle beides. Das Papier sei intransparent erarbeitet worden. "Ein Masterplan braucht fundierte, durchdachte und realistische Forderungen", sagt Oswalt. Das Papier habe all das nicht. "Das ist eine Provinzposse." Die von den Betroffenen nicht hingenommen wird. Das Verfahren müsse auf Null gesetzt werden, damit der Stadtrat Ziele für einen neuen Masterplan definieren kann, der dann mit externer fachlicher Unterstützung und mit den Akteuren vor Ort erarbeitet wird. Beim Anfang will die Initiative "Land braucht Stadt" mithelfen. Ende November ist ein Workshop zum Thema geplant. Denn eines eint die Kritiker: Einen Masterplan Kultur halten alle für zwingend notwendig.