1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Keramik in Wittenberg: Keramik in Wittenberg: Auf dem Markt des guten Tons

Keramik in Wittenberg Keramik in Wittenberg: Auf dem Markt des guten Tons

Von Corinna Nitz 30.09.2001, 12:44

Wittenberg/MZ. - Möglichkeiten, aus Ton ein Gefäß zu formen, gibt es einige. Und dass nicht immer eine Töpferscheibe erforderlich ist, um einen halbwegs ebenmäßigen Krug zu fabrizieren, kann Sascha schon bestätigen. "Ich habe einen Klumpen genommen und dann einfach so in den Ton rein gedrückt", sagt der neunjährige Wittenberger und stochert mit den Fingern Löcher in die Luft. Am Stand von Hartmut Kummer bastelt Sascha zusammen mit seiner Schwester Sandra an dem Geschenk für die Mutter. Es ist Sonnabend Mittag, und der neunte Wittenberger Töpfermarkt hat seit zwei Stunden geöffnet.

Aus allen Teilen der Republik sind 81 Meister des irdenen Handwerks nach Wittenberg gekommen - ein Töpfer mehr also als in den vergangenen Jahren. Da hatte sich die Zahl der Teilnehmer auf 80 eingependelt. Schon das war eine Menge. Doch ist der Wittenberger Töpfermarkt beliebt, hier her zu kommen scheinbar fast ein Muss. Hartmut Kummer ist auch so einer, der von Anfang an mitmischt. "Das Publikum ist hier so sympathisch und aufgeschlossen", schwärmt der Obermeister der Thüringer Töpferinnung und betont, dass der Wittenberger Markt auf seiner Beliebtheitsskala ganz oben steht. Kummer kann das beurteilen, immerhin fährt er zu acht Märkten im Jahr, und da könne bislang keiner mit dem hiesigen mithalten.

Gründe für so viel Lob gibt es viele. Nicht wenige sind einfach objektiv und entspringen keineswegs nur einem diffusen Gefühl. Trotz großer räumlicher Enge wird kaum gedrängelt. Was aber am meisten auffällt, dass ist die angenehme Atmosphäre, die nicht von lärmiger Musik gestört wird. Zwar finden sich immer wieder Musikanten ein. In diesem Jahr ist es ein Duo, dass an der Giebelseite des Rathauses irische und schottische Folk-Musik spielt. Das übliche Gedudel bleibt aber aus. Immer wieder erfreulich ist der Austausch mit den Töpfern, die gerne bereit sind, in die Kunst ihres Handwerks einzuführen.

Über den Wert und die Bedeutung von Gebrauchskeramik spricht Doreen Pfüller aus Sundhausen. Was die junge Frau, die mit ihrem Partner Volker Bohn die "Waidhof-Töpferei" betreibt, zu sagen hat, ist schon beinahe von philosophischem Wert. "Der Sinn unserer Keramik", sagt sie, "er liegt darin, dass sie gebraucht wird." Die Gefäße müssen durch die Hände gehen und benutzt werden. Nichts sei schlimmer, so Doreen Pfüller, als die Ware zur Dekoration in einer Vitrine hinter Glas verschwinden zu lassen. Dennoch findet sich auch Zierrat auf dem Markt. Filigrane Gefäße mit Röschen zum Beispiel, die als "Verträumte Keramik" von einem Töpfer aus dem Brandenburgischen angeboten werden. Sie lenken die Blicke mindestens so sehr auf sich wie die Tonkunst der Diplom-Designerin Bernadett Roolf aus Wismar. Ihre Arbeiten zeichnet sich durch eine eigene Formsprache, in der sich Verspieltheit und strenge Kühle vereinen, aus.

Fröhliche Motive kennzeichnen das Geschirr der Leimbacherin Saskia Schweizer, die lustige Frösche, Giraffen und andere Viecher über Tassen und Teller spazieren lässt. Aus Bad Kissingen ist Karin Reiß gekommen und zeigt, dass man aus Ton ganze Lampenschirme herstellen kann, die auch noch hübsch anzusehen sind.

Hübsch anzusehen ist inzwischen auch die Arbeit von Sandra und Sascha. Während Sascha offensichtlich und nach eigenem Bekunden zunächst fürs Grobe zuständig war, hat seine elfjährige Schwester den kleinen Krug mit einem Schwamm schön glatt gestrichen. Auf dem Rand krabbelt ein kleines Mäuschen - ein Dekorationselement, das die Geschwister beim Töpfer Steuernagel entdeckt und kurzerhand abgekupfert haben.