1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Bitterfeld-Wolfen
  6. >
  7. Johannes-Passion: Johannes-Passion: Kraft und Weichheit in Vollendung

Johannes-Passion Johannes-Passion: Kraft und Weichheit in Vollendung

Von Erhard Hellwig-Kühn 29.03.2004, 11:59

Wittenberg/MZ. - Johann Sebastian Bach liebte seine Johannes-Passion. Zu seinen Lebzeiten wurde sie vier Mal aufgeführt, jedes Mal in einer veränderten Überarbeitung. Es gibt keine endgültige Fassung: Der Leipziger Stadtrat mischte sich seinerzeit in die Vorbereitungen 1739 und auch inhaltlich ein. Es kam zur Stornierung dieser Aufführung. Danach gab es keine Überarbeitung mehr.

Zusammen mit seiner h-moll-Messe gilt sie dennoch als Bachs musikalisches und theologisches Testament. Die Johannespassion ist spannend. Die Leidensgeschichte Jesu erfährt hier ihre unmittelbare Dramatik. Das Fanatische, die Schärfe der Chöre und die Leidenschaftlichkeit der Rezitative sind die Kennzeichen dieses mitreißenden Werkes. Man war aber auch gespannt auf die Kantorin der Wittenberger Stadtkirche, Heike Mroß-Lamberti - auf ihr Verhältnis zu Chor und Orchester, zu den Solisten, auf das Gesamtbild ihrer Interpretation, hat sie doch erst zum Jahresanfang die Leitung der Stadtkantorei von ihrem Mann übernommen. Er übernahm den Orgelpart des basso continuo. Das Ergebnis insgesamt: Es kann sich unbedingt hören lassen.

Heike Mroß-Lamberti hat es geschafft, diesen interessanten Chor voller Individuen "auf Linie" zu bekommen. Der erste Chorsatz (Herr, unser Herrscher) tat sich zwar anfangs mühsam an, er ist aber auch immens schwer. Das Orchester schleppte ein wenig, der Chor wirkte noch etwas fahrig und heiser bei den Sopranen, die Tenöre hatten gelegentlich Probleme, ihren Einsatz zu finden. "Zeig uns durch deine Passion" mag dann der zündende Moment gewesen sein: Bereits das da capo des Eingangschores verriet: Sie können es.

Die Aufführung war dann bis zum Schluss gekennzeichnet von einer exakten und schnörkelfreien Stabführung. Die Einsätze gerieten präzise, Mroß-Lamberti hatte nicht nur ihre Zuhörer überzeugt. Sie entsprach dem urwüchsigen Charakter dieses Oratoriums, indem sie Kraft und Weichheit vollendet miteinander verschmelzen ließ.

Ihre Darstellung der Passionsgeschichte in der Bach'schen Fassung von 1724 war klar und phantasievoll. Die Solisten, allen voran Sebastian Reim als farbenkräftiger Evangelist, die Instrumentalsolisten, besonders die Viola da gamba, waren ausgezeichnet in Disposition und Ausdruck. Johannes Schmidts Pilatus-Partie überzeugte ohne Einschränkung. Die Alt-Arie "Es ist vollbracht" (Manuela Mach) war dramaturgischer Inbegriff gesanglicher Ausdruckskraft. Insgesamt eine beeindruckende Aufführung am Ende dieser Passionszeit.