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Heilsames Schreiben Heilsames Schreiben: Mit Schreibblock und Schokolade

Von Stefanie Hommers 07.01.2004, 15:28

Bad Schmiedeberg/MZ. - Sanfte Hintergrundmusik erklingt im Kurhaus, Kerzen spenden warmes Licht. Knapp ein Dutzend Köpfe beugen sich konzentriert über leere Blätter, zögernd greifen Hände zum Stift. Die Aufgabe ist nicht ganz leicht: "Schreiben Sie sich doch einfach selbst einmal einen Liebesbrief", ermuntert Silvia Dammer die Teilnehmer an ihrem Kurs in Bad Schmiedeberg.

"Schreiben für die Seele" heißt das außergewöhnliche Angebot. Und dieser Freitagabend steht unter dem Motto "Lust und Frust". Gegen trübe Wintertage helfen diesmal, neben den Worten, auch Schokoladenstückchen und ein Glas Wein. Nun ist das Briefe schreiben ohnehin etwas aus der Mode gekommen; sich selbst ein paar verbale Streicheleinheiten zukommen zu lassen, das fällt vielen zusätzlich schwer. Spaß macht es gleichwohl.

"Bei so einer Kur ist es wichtig, nicht nur die verordneten medizinischen Therapien zu bewältigen, sondern darüber hinaus in der freien Zeit Anregungen zu bekommen", freut sich Doris Wiebelhaus über den Schreibkurs. "Das ist das beste Angebot der ganzen Kur", urteilt die Westfälin und ergänzt: "Ich werde zu Hause versuchen, weiter zu schreiben." Nicht jeder, der hierher kommt, muss indes erst Hemmungen vor dem leeren Blatt überwinden. Ina Kürschner hat bereits ein paar fertige Kurzgeschichten mit im Gepäck und gibt im Verlauf des Abends ein paar äußerst amüsante Lektüreproben zum Besten.

Und Cornelia Neujahr traut sich auch. Für sie ist Schreiben Therapie. Seit bei ihr eine Krebserkrankung diagnostiziert wurde, sind Block und Stift ein fester Bestandteil ihres Alltags. "Ich musste einfach schreiben", bekennt sie, "mein Notizbuch habe ich seither immer bei mir, bis in den Operationssaal habe ich das mitgeschleppt." Das vorerst letzte Kapitel - der Kuraufenthalt.

Testweise hat Kurdirektor Siegfried Scholz das Angebot ins Programm aufgenommen und ist angetan von der Resonanz. Wirklich verwundert ist er aber nicht: "Wir betrachten schließlich nicht nur den Körper unserer Patienten, die Seele ist auch wichtig." Gerade die Zunahme psychosomatischer Erkrankungen zeige die Grenzen rein medizinischer Betreuung, begründet Scholz seine Entscheidung für das "Schreiben für die Seele." Und geistig-kulturelle Betreuung trage immer auch einen therapeutischen Kern in sich.

Therapie, das ist für Silvia Dammer ein zu großes Wort. Von der heilsamen Wirkung des Schreibens ist die Journalistin jedoch überzeugt: Hemmungen überwinden, sich den Frust von der Seele schreiben und ohne Druck, aber mit allen Sinnen Eindrücke zu Papier bringen, "das hilft". Der Inhalt der Liebesbriefe wird an diesem Abend nicht preisgegeben. Das ist aber auch gar nicht nötig, schließlich ist der Adressat ja die eigene Person.

Dass die zärtlichen Zeilen ihren Ansprechpartner auch erreichen, dafür will Silvia Dammer schon sorgen: "Stecken Sie das Ganze einfach in einen Umschlag und schreiben Sie Ihre Adresse darauf. In vier Wochen schicke ich Ihnen ihren Liebesbrief dann zu", verspricht sie. Sorgfältig wählen die Briefeschreiber unter Farben und Motiven der Umschläge - und sind gespannt auf ihre Post.