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Gemeinschaft gesucht und für immer gefunden

Von BÄRBEL HELBIG 27.12.2009, 16:41

ZSCHERNDORF/MZ. - Einige Erinnerungsstücke sind dem 95-Jährigen besonders wichtig: Vier gerahmte Bilder und eine Urkunde. "Die vier Jahreszeiten hat meine Frau gestickt, sie hat viele Handarbeiten gemacht", sagt er.

Zwischen den Bildern ist die Urkunde platziert, die einem seltenen Jubiläum gewidmet ist: Günter Fensch ist seit 80 Jahren Gewerkschaftsmitglied, wozu ihm die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie gratuliert und im Namen aller Mitglieder für alles dankte, was er für die "gemeinsame Sache getan hat".

Als er mit 15 Jahren in seiner Heimatstadt Stettin seine Lehre als Buchdrucker und Linierer begonnen hat, ist er in den Buchdruckerverband eingetreten. "Da haben wir unsere Ziele durchgesetzt", erinnert er sich. Dann kamen Jahre im Arbeitsdienst, die Einberufung als Soldat, der Krieg, eine schwere Verwundung vor Leningrad und anderthalb Jahre im Lazarett. Der linke Arm blieb gelähmt, was auch mit 95 Jahren sein einziges Handicap ist. "Das hat mit dem Alter nichts zu tun", erklärt er. Und weiß es zu schätzen, dass er trotz seines hohen Lebensalters "oben klar und auf den Beinen beweglich" ist.

Nach der Vertreibung 1945 aus Stettin hat die Familie in Wolfen ein neues Zuhause gefunden. Günter Fensch arbeitete als Sekretär in der Verwaltung des Kreisgerichtes in Bitterfeld. Von 1959 an war er bis zur Rente 1979 Kreissekretär für Jugendweihe im Kreis Bitterfeld. "Da hatte ich eine Menge zu organisieren, Jugendstunden, Feiern, auch Gesprächspartner mussten besorgt werden", berichtet er.

Nun freut er sich vor allem auf die Besucher von seinem Sohn und seiner Tochter, auf Feiertage, die er mit seinem Kindern, Enkeln und dem Urenkel verbringen kann. "Die Kinder holen mich öfters, meine Tochter kümmert sich sehr um mich, mit ihr erledige ich alle Wege, die zu erledigen sind. Und manchmal fahren wir irgendwohin mit dem Auto", berichtet er.

Alles in allem könne er mit seinem Leben zufrieden sein, sagt er. In der Wohngemeinschaft in Zscherndorf fühlt er sich wohl, genießt die Gemeinschaft - das Kaffeetrinken am Nachmittag ebenso wie das gemeinsame Fernsehen, eine Runde Mensch-ärger-dich-nicht oder eine schöne Feierstunde. Und zu seinem Tag gehört es auch, die Mitteldeutsche Zeitung zu lesen. "Man möchte ja schließlich auf dem Laufenden bleiben", so der 95-Jährige.