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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Nicht verschlafen, sondern Leben gerettet

Von anne böttger 12.03.2012, 18:53

bitterfeld/MZ. - So richtig glauben wollte Sebastian Brosigs Schichtleiter nicht, was ihm der 24-Jährige am Morgen des 17. Januar erzählte. Ersthelfer bei einem Großbrand in Bitterfeld sei er gewesen, habe Leute aus brennenden Wohnungen befreit, nur deshalb sei er zu spät zur Arbeit gekommen. Das, was Brosigs Chef für eine Ausrede hielt, steckt aber noch immer tief in den Knochen des jungen Mannes, der sein Kind an jenem Morgen kurz vor sechs Uhr in die Kita bringen wollte.

"Es war so unheimlich: Alles knistert um dich herum und keiner ist da - weit und breit", sagt Brosig, der nun zusammen mit drei anderen Ersthelfern auf dem Bitterfelder Polizeirevier für sein beherztes Eingreifen geehrt wurde. Eigentlich, erzählt der Bitterfelder, nehme er immer einen ganz anderen Weg zur Kita. Dass er sich entschied die Brehnaer Straße entlangzufahren, war für einige Anwohner Glück im Unglück: In mehreren Lagerhallen war dort kurz zuvor Feuer ausgebrochen, die Flammen drohten auch bald schon auf die umliegenden Wohnhäuser und ein Frisörgeschäft überzugreifen.

"Ich habe nur die Flammen gesehen, sofort angehalten und den Notruf gewählt", sagt Brosig. Zur selben Zeit kehrte auch René Prasser, der genau gegenüber wohnt, vom morgendlichen Gassigehen mit seinem Hund zurück nach Hause. "Ich habe meiner Frau gesagt, sie solle die Feuerwehr rufen. Ich selbst bin sofort zu den Häusern gerannt", sagt der 37-Jährige. Und dort, erzählt Polizeisprecher Marcus Benedix, "war alles ziemlich knapp. Obwohl die Feuerwehr ziemlich schnell da war, ist es diesen vier Leuten zu verdanken, dass wir keine Schwerverletzten oder gar Tote zu beklagen haben."

Fünf Anwohner haben die drei Männer und eine Frau vor den Flammen gerettet. "Auf das Türklingeln haben die meisten gar nicht reagiert. Wir haben dann stark geklopft und sogar Türen eintreten müssen", erzählt Prasser. Als er etwa einer älteren Dame aus einer Wohnung geholfen habe, sah er nur fünf Minuten später die Flammen aus dem Schornstein schlagen. "Auch bei dem Frisör war es schon bis zur Zwischendecke vorgerückt", sagt Lagerist Prasser. "An das eigene Leben denkt man dabei nicht. Es geht ums Machen."

Auch Polizeihauptmeister Thomas Bzyl, der zum Zeitpunkt auf Streife und als einer der ersten zum Unglückort gestoßen war, staunte über das Ersthelferteam: "Es lief alles sehr kontrolliert ab, wir haben das Ziel erkannt, uns aufgeteilt und dann ging es vorwärts. Mit einem Kollegen hätte das nicht besser laufen können." Sebastian Brosig hat sich zum Beispiel gleich um eine ältere Dame gekümmert, die ihre Wohnung im Schlafanzug verlassen musste. "Ich habe sie in mein Auto gesetzt, zum Aufwärmen", sagt er.

Heute, knapp zwei Monate nach dem Großbrand in der Brehnaer Straße, sind die Gedanken der Helfer noch immer bei denen, die alles verloren haben. "Die Leute haben alles verloren, mussten umziehen. Zum Glück geht es allen gesundheitlich wieder besser", sagt Brosig. Dass sie das ihm und René Prasser zu verdanken haben, ist für Brosig Ehrensache. "Ich hätte das sonst gar nicht mit mir vereinen können. Ich musste einfach helfen", sagt er. Dafür konnte er auch einmal zu spät kommen.