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Anhalt-Bitterfeld Anhalt-Bitterfeld: Kunst braucht kein Feigenblatt

Von KLAUS SEEHAFER 27.01.2012, 17:21

WOLFEN/MZ. - Was an dem 1974 entstandenen DEFA-Film "Der nackte Mann auf dem Sportplatz" auffällt, ist im Grunde das, was nicht auffällt: Er schöpft aus einer unglaublichen Vielzahl von Talenten, die alle für diese eine Produktion aufgeboten werden konnten. Nun gut, Konrad Wolf ist einer der wichtigsten DDR-Regisseure gewesen und Wolfgang Kohlhaase ein Szenarist der Sonderklasse. Aber dass Gerhard Wolf, der Mann von Christa Wolf, an ausgezeichneten Drehbüchern mitgeschrieben hat, ist weit weniger bekannt. Und dass Werner Bergmann ("Goya", "Mama, ich lebe", "Der geteilte Himmel", "Ich war neunzehn") auch bei diesem Film Kamera geführt hat, sollte immer mal wieder gesagt werden, weil Stars vor der Kamera auch nach kurzer Karriere meist schon berühmter sind als solche dahinter. Es lohnt sich immer, einen Bergmann-Film anzuschauen, und "Der nackte Mann auf dem Sportplatz" war von ihm ins Bild gesetzt.

Die Schauspielerliste möchte man am liebsten "von unten herauf" aufzählen, denn Babelsberg konnte einfach aus dem Vollen schöpfen: Ganz unten auf der Liste immerhin schon Jaecki Schwarz in der Nebenrolle eines Arbeiters. Schon etwas höher Thomas Langhoff und Rolf Hoppe. Martin Geschonneck spielte in einem Kurzauftritt einen Soldaten und Ursula Werner ein den Künstler Kemmel zum Seitensprung verlockendes Mädchen mit großer Brille. Katharina Thalbach die hochschwangere Frau des Soldaten und Vera Oelschlaegel das Fräulein Fritze.

Obenan auf der Liste: Der kantige Kurt Böwe als plastizierender Künstler Kemmel, der es seinem Dorf mit keinem Werk recht machen kann, schon gar nicht mit einem nackten Torwart. (Mindestens so faszinierend war übrigens der Künstler Werner Stötzer als sein Händedouble bei der Tonarbeit!) Der arme Kerl bekommt zunächst für seinen Torwart kein Modell, und eine spätere Büste, geschaffen nach dem Antlitz Martin Trettaus, zerstört er wieder, weil er sie für misslungen hält. Nicht misslungen ist dagegen die langsam sich aufbauende Beziehung zwischen diesen beiden Männern.

Wo aber bleibt bei alledem der Stargast des Abends, wo bleibt Ursula Karusseit als des Künstlers Ehefrau? Eine glänzende Bühnenschauspielerin, die ab 1968 mit "Wege übers Land" im Fernsehen und 1971 mit "Die rote Kapelle" auch in diesen Medien Berühmtheit erlangte. Die für ihre bisherige Leistung 2009 völlig zu Recht mit der "Goldenen Henne" geehrt wurde. Ihre Filmographie erwähnt natürlich immer wieder den "Nackten Mann auf dem Sportplatz", schon weil er von Konrad Wolf ist. Aber ehrlich gesagt: Als des Künstlers Frau Gisi Kemmel spielt sie eher eine Nebenrolle: blass, zwar liebenswert, aber ohne sonderliche Konturen.

Spannender war die anschließende Diskussion mit einer Frau, die eine Meinung hat und sie auch artikulieren konnte. Einer Frau, wegen der an jenem Abend vor allem die Frauen gekommen waren, denn sie spielt zur Zeit in der TV-Serie "In aller Freundschaft" mit.

Befragt nach ihren liebsten Filmen antwortet die Karusseit spontan: "Das waren "Druskat" und "Eva und Adam", auch "Wege übers Land" von Sakowski. Und was sie an ihrem Regisseur Wolf besonders geschätzt habe: "Er war immer ruhig, ich habe ihn nie anders erlebt."

Heute schätzt sie als größtes Glück ihres Schauspielerinnen-Daseins keine Schwierigkeiten nach 1989 gehabt zu haben und die Zusammenarbeit mit vielen guten Kollegen: Thomas Rühmann, Rolf Becker, Barbara Schöne, Volker Lechtenbrink. Den 2006 verstorbenen Fred Delmare hat sie besonders gemocht. Was es heute leider nicht mehr im Film- und Fernsehgeschäft gibt: "Das Geben und Nehmen war normal. Ich erinnere mich, wie häufig wir Schauspieler mit den Arbeitern des VEB NARVA zusammen waren, die damals Glühlampen produziert haben.

Immer wieder zeigt es sich, dass die Besucher des Industrie- und Filmmuseums eine geschlossene Verständnisgemeinschaft sind. "Ist heute nicht Montag?" heißt es im Film. Allgemeines Kichern, denn jeder weiß wohl noch, dass Montags Willi Schwabes 400 Folgen lange TV-Schnipselserie "Rumpelkammer" ausgestrahlt worden war.

Man hätte dieser klugen Frau noch lange zuhören können, und es war sicher kein Zufall, dass bei Ursula Karusseit aus dem Publikum besonders viele Fragen kamen.