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Bürokratie gegen Selbsthilfe Bürokratie gegen Selbsthilfe: Stadt nennt simples Blech eine "unerlaubte Sondernutzung"

Von Torsten Adam 25.09.2019, 07:56
Das Corpus Delicti: Das Blech über der Gosse der Blumenstraße in Bernburg soll entfernt werden.
Das Corpus Delicti: Das Blech über der Gosse der Blumenstraße in Bernburg soll entfernt werden. Torsten Adam

Bernburg - Als Karl-Heinz Golz mit dem Auto die Grundstücksausfahrt des Hauses seiner Frau Rita verlässt, erlebt er eine böse Überraschung. Auf der erst kurz zuvor wieder freigegebenen Fahrbahn der Blumenstraße reißt die Auspuff-Aufhängung ab.

Den Grund stellt der Betreiber einer Wäscherei schnell fest: Die neu eingesetzten Pflastersteine haben das Fahrbahnniveau derart erhöht, dass er mit dem Unterboden aufsetzt.

Ehepaar greift zur Selbsthilfe, montiert eine Rampe aus Stahlblech

Das Bernburger Ehepaar greift zur Selbsthilfe, montiert eine Blechrampe über der tief liegenden Gosse. Jetzt, drei Jahre später, gibt es deswegen Behördenärger. Die Bernburger Stadtverwaltung hat nach einer Beschwerde Rita Golz darauf hingewiesen, dass das Blech eine „unerlaubte Sondernutzung“ öffentlichen Verkehrsraums ist und sie es beseitigen soll.

Die Stadtverwaltung nennt das Blech ein Hindernis im Sinne der Straßenverkehrsordnung

Binnen fünf Tagen sollte sich die Grundstückseigentümerin erklären. Denn das Blech sei angeblich auch ein Hindernis im Sinne der Straßenverkehrsordnung.

Über den wiehernden Amtsschimmel kann Karl-Heinz Golz nur den Kopf schütteln. Das Gegenteil sei der Fall. Weil an der Blumenstraße beidseitig geparkt werde, nutzten sehr viele Autofahrer seine Einfahrt, um zu wenden. Und zwar ohne sich dabei den Unterboden ihres Wagens kaputtzumachen.

„Leider habe ich versäumt, eine Sondernutzung zu beantragen“, teilt Rita Golz in ihrem Antwortschreiben an die Stadtverwaltung mit.

Sie sagt der MZ, dass sie sich nicht bewusst gewesen sei, solch eine Genehmigung einholen zu müssen. Schließlich behindere das Blech den Durchfahrtsverkehr in keiner Weise. Ihr Mann habe sogar extra noch den Fahrer der Kehrmaschine gefragt, ob das Blech ein Problem sein, was dieser verneint habe.

Für den Fahrer der Kehrmaschine ist das Blech an der Einfahrt kein Hindernis

Dennoch, so betont die Anwohnerin, sei sie an einer friedlichen Einigung mit der Kommune in dieser Angelegenheit interessiert. Dazu könnte es nun tatsächlich kommen.

Auf MZ-Nachfrage teilte Wolfgang Knopf, Sprecher der Stadtverwaltung, mit: „Wir schlagen vor, eine Probefahrt mit dem Auto im Beisein aller Betroffenen durchzuführen. Dabei kann dann festgestellt werden, welche Maßnahmen zur Abhilfe in die Wege geleitet werden können.“ Um einen Termin dafür zu vereinbaren, werde sich die Stadt mit Rita Golz in Verbindung setzen.

Stadtsprecher Knopf bietet eine Probefahrt im Beisein aller Betroffenen an

Klar ist indes jetzt schon: „Das Blech muss auf jeden Fall weg. Es ist nicht genehmigungsfähig und stellt außerdem laut Landesstraßengesetz sogar eine Ordnungswidrigkeit dar“, macht Wolfgang Knopf deutlich.

Das könnte auch an anderen Stellen im Stadtgebiet der Fall sein, wo sich Grundstücksanrainer in der Vergangenheit in Eigeninitiative auf ähnliche Weise beholfen hatten, um ihr Fahrzeug zu schützen - und nun aufgrund der Rechtslage um dieses Provisorium fürchten müssen.

Werden die roten Porphyrsteine herausgenommen und auf das frühere Niveau abgesenkt?

Die Idee von Karl-Heinz Golz, das Blech durch weitere Schrauben noch besser zu fixieren, oder mit Unterleggummis zu versehen, um eventuelle Klappergeräusche beim Befahren zu vermeiden, lässt sich also nicht realisieren.

Die wahrscheinlichste Lösung ist wohl, dass die in der Fahrbahn verbauten roten Porphyrsteine wieder auf das frühere niedrigere Niveau des alten Grauwackepflasters gebracht werden. (mz)