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Salzlandkreis Salzlandkreis: Noch ein letzter Hauch von Gülle

Von DETLEF VALTINK 13.10.2011, 16:36

MEHRINGEN/MZ. - Nur noch wenige Spuren sind auf den ersten Blick von der braunen Brühe, die sich nach sinnflutartigen Regenfällen von den angrenzenden Äckern mit voller Wucht in Keller, Garagen, über Straßen und Grundstücke ergoss, zu sehen. Lediglich ein leichter Hauch von Gülle steigt als ein letzter Gruß der Naturextreme in die Nase. Der wird sich sich nicht so schnell beseitigen lassen, wie die Spuren der Verwüstungen, von denen besonders extrem die Familie Opel betroffen war.

Entwurzelte Pflanzen

Am Tag ihres 24. Hochzeitstages waren die jahrelangen Anstrengungen, das gemütliche Heim zu verschönern, im wahrsten Sinn des Wortes den Bach runtergegangen. Entwurzelte Pflanzen, aus der Verankerung gerissene Zäune, zerborstene Türen und besonders schicksalhaft - bis zu 1,50 Meter Schlamm und Wasser in dem Haus. Heike und Bernd Opel waren nach dem ersten Schock zunächst darauf bedacht, doch noch soviel zu retten, wie möglich. Doch alles was in Küche, Bad und Kinderzimmer seinen Platz gefunden hatte, war durchnässt und hatte einen glitschigen und kaum zu entfernenden Erdüberzug. Auch in der Werkstatt - Bernd Opels Ein und Alles - bot sich das gleiche Bild. Wie auch im Hof, wo beispielsweise Fahrräder oder der Rasenmäher im Schlamm

verschwunden sind. Und von der Garten-Freizeitoase hinter dem Haus ist nichts geblieben - nur eine neue Erdschicht, die bis zu 30 Zentimeter hoch "aufgelaufen" ist.

Aber Jammern half nichts! Zunächst versuchten die Opels noch, selbst die kleinsten Dinge zu retten. Es wurde abgespült und gereinigt, bis schnell die Erkenntnis wuchs: "Das hat keinen Sinn". Alles wanderte auf den Sperrmüll. Zum Schluss waren fünf Container, zu denen zig Kubikmeter Dreck und Abfall dazu kamen. Über Tage zog sich die Aufräumaktion. "Wir haben nur noch funktioniert", erinnert sich Heike Opel. Der 44-Jährigen war es dabei wichtig, dass das Familienleben so schnell wie möglich in "normalen" Bahnen verläuft. In einem Kinderzimmer wurde schnell die provisorische Küche eingerichtet. Nach dem anfänglichen Chaos sorgte sie für Ordnung, damit es für alle "Ruhezonen" gibt. Vor allem für Tochter Clara, die zunächst mit der Situation ihrer Probleme hatte und anfangs sogar wieder in der Nacht zu den Eltern ins Bett krabbelte. "Aber sie hat das gut weggesteckt", weiß die Mehringerin. Auch weil die Eltern viel mit ihrem Kind redeten und selbst nie den Optimismus verloren. "Was nützt uns ein Leben zwischen Hoffen und Bangen", positioniert sich Bernd Opel. Die Situation sei so gewesen - schmerzlich, traurig und nicht abänderbar.

Positive Einstellung

Dass die Opels wieder auf die Beine gekommen sind, haben sie nicht nur ihrer eigenen positiven Einstellung zu verdanken. Geahnt und gehofft hatten sie es immer, aber mit der Katastrophe ist es Realität geworden: Der Glaube an das Gute im Menschen. Denn Familie, Arbeitskollegen, Freunde und Nachbarn waren von der ersten Stunde an ihrer Seite. Nicht in Gedanken, sondern tatkräftig und anpackend. An manchen Tagen schippten, hackten, arbeiteten oder räumten bis zu 15 Menschen auf dem Grundstück auf. "Ich kann nur meine Hände liefern und zur Verfügung stellen", hatte beispielsweise ein Helfer erklärt. Ein Moment, an dessen Erinnerung Heike Opel die Augen feucht werden. Doch nicht nur dann. Da waren die Arbeitgeber und Kollegen von Heike und Bernd im Federwerk Bischoff in Staßfurt und im Pflegeheim Richter in Giersleben die spontan Geld sammelten, die Essenversorgung absicherten oder die Spendenbüchse in der Bäckerei, aus deren Erlös ein neuer Schulranzen für die Tochter gekauft werden kann.

Zahlreiche Spenden

Auch Mehringer gaben Geld oder einen Präsentkorb, andere spendeten Haushaltsgeräte oder stellten Technik zur Verfügung. Ob die Feuerwehr oder die Gemeinde - jeder half, ohne zu fragen und ohne zu fordern. "Das hat richtig geholfen und vor allem gut getan", freut sich Bernd Opel. Im Heute und Jetzt sind erst einmal die wichtigsten Versicherungsfragen geklärt, der Schlamm aus den Kellern und vom Grundstück gebracht. Alle vorbereitenden Arbeiten soweit erledigt, dass, wenn die Wände wieder trocken sind, auch die Handwerker anrücken können. Dies wird nicht vor Januar oder Februar sein. "Aber wir wissen, dass es in absehbarer Zeit passieren wird", meint Heike Opel. Sie sind überzeugt, dass sich alles zum Guten wenden wird, auch wenn nichts mehr beim Alten ist - und erst recht nicht, wie es einmal war. Es sind die Alltagsgriffe, die daran erinnern, was vor vier Wochen passierte. Denn immer wieder drückt die Vergangenheit der Familie ihren Stempel auf. Von dem Gewürzglas, das nicht mehr da ist, wo es jahrelang stand bis hin zum Frage, wo das Werkzeug liegt, welches es aber nicht mehr gibt. "Uns hat es schlimm getroffen! Aber wenn wir an die Menschen in Plötzkau und Peißen denken, sind wir noch glimpflich davongekommen", sind sich Heike und Bernd Opel einig. Und so gehört ihre Aufmerksamkeit der Zukunft. Da sind der 50. Geburtstag des Mehringers, die Silberne Hochzeit und der Tag, an dem die Familie mit einem "Bierchen" all denjenigen Danke sagen kann, die sie in der Not nicht allein gelassen haben. Und da ist die Pflege einer Geranie - der einzigen Pflanze, die Heike Opel von ihrer Pracht auf der Terrasse geblieben ist.