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Polizeieinsatz Polizeieinsatz: Milzbrandalarm im Rathaus Thale

Von Detlef Anders 15.10.2001, 16:14

Thale/MZ. - Eine ganze Reihe von Zeitungen und drei Briefe entnahm gestern früh eine Angestellte der Stadt Thale aus dem Briefkasten neben dem Haupteingang des Rathauses. Wie jeden Tag brachte sie die Post ins Zimmer der Chefsekretärin. Bürgermeister Thomas Balcerowski hatte sich gestern viel vorgenommen. Nach einer Woche Arbeitsurlaub warteten eine ganze Reihe von Problemen und Post auf Erledigung. Doch Balcerowski sollte an diesem Vormittag nicht zu seiner eigentlichen Arbeit kommen. Mit der Post war ein kleiner, etwa fingerdicker Brief auf dem Tisch der Sekretärin gelandet, auf dem zu lesen war "Warnung Anthrax-Virus". Anthrax ist der lateinische Name für Milzbrand.

Kurz vor neun Uhr geht im Polizeirevier Thale der Anruf aus dem Rathaus ein. Minuten später sind Polizei und Feuerwehr mit Blaulicht vor Ort. Feuerwehrleute in dicken Schutzanzügen betreten das Rathaus. Der Brief wird in eine Plastikkiste gelegt, mit dicker Folie umhüllt und heraus geschafft. Die beiden Frauen, die den Brief in den Händen hatten und Thales Bürgermeister müssen in ein Quarantäne-Zimmer. Das Rathaus wird abgeriegelt und der Amtsarzt verständigt.

Neben einem Imbisskiosk wird eine verdächtige Tasche gefunden, die niemandem gehört. Besteht ein Zusammenhang mit dem Brief? Karsten Dreiling, der Polizeieeinsatzführer vor Ort, fordert einen Sprengstoffsuchhund an. Halberstädter Kriminalisten diskutieren vor dem Rathaus. "Wenn wir erst den Briefumschlag haben, dann kriegen wir sie", meint einer überzeugt.

Gegen zehn Uhr trifft Amtsarzt Dr. Hans-Georg Hübner ein. Er spricht mit dem Einsatzführer und den Kriminalisten. Milzbrand wird nur durch direkten Kontakt übertragen, beruhigt er. Für die bakterielle und virologische Untersuchung der Substanz aus dem Brief stehe schon im Landeshygieneinstitut in Magdeburg alles bereit, erklärt Hübner. Zwei Einsatzfahrzeuge sollen die Substanz gemeinsam nach Magdeburg bringen. Hübner besichtigt den Brief in der Kiste. "Dummheit", meint er und erklärt, dass Milzbrand kein Virus ist, sondern ein Sporenbildner, der durch Kontakt auf der Haut oder Lunge übertragen werden kann. "Keine Panik auf der Titanic, es besteht keine Gesundheitsgefährdung", versucht der Facharzt für Hygiene- und Umweltmedizin zu beruhigen.

Hübner geht mit dem Einsatzführer zum Bürgermeister. Von dort bestellt er telefonisch in einer Apotheke Desinfektionsmittel. Thomas Balcerowski ärgert sich über die Arbeit, die nicht erledigt werden konnte und den enormen Feuerwehr- und Polizeieinsatz. "Das war garantiert jemand aus Thale, der sich einen üblen Scherz erlaubt hat", vermutet der Bürgermeister und fürchtet weitere Trittbrettfahrer. "Es gibt tatsächlich Schläfer", warnt Karsten Dreiling vor allzuviel Sorglosigkeit. "Weshalb in Thale?", fragt Balcerowski und Dreiling antwortet "das fragen sich die New Yorker auch". Doch auch Hübner vermutet einen "Trittbrettfahrer" und beginnt nach dem Eintreffen der Apothekenmitarbeiterin mit der Desinfektion der Hände der Personen im Quarantäneraum. Der Amtsarzt sprüht das Mittel über die Schreibtische und wischt den Tisch besonders gründlich ab, auf den der Brief abgelegt war. Auch den Briefkasten wischt der Amtsarzt mit einem Desinfektionstuch aus. Anschließend gibt Hans-Georg Hübner Entwarnung für Rathaus und Quarantänezimmer.

Der Spengstoffsuchhund schlägt später weder bei der Tasche an, noch bei einem Rohr, das in einem nahen Gebüsch gefunden wurde und wegen dem die Absperrungen schließlich noch einmal erweitert worden waren. Mittwoch werden die ersten Ergebnisse erwartet, berichtet Karsten Dreiling abschließend und lobt die gute Zusammenarbeit zwischen der Polizei, den anderen Einsatzkräften und der Stadt Thale. Wenn es sich um Trittbrettfahrer handelt, droht diesem wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren, berichtete der Kölner Express am Sonnabend über einen Milzbrand-Alarm in Köln.