1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Aschersleben
  6. >
  7. «Hier wird noch anständig gebacken»

«Hier wird noch anständig gebacken»

Von SUSANNE THON 06.11.2009, 17:34

ASCHERSLEBEN/MZ. - "Wir haben mit nichts angefangen", denkt Tempelhoff zurück, mit nichts außer ein paar gebrauchten Maschinen aus der alten Bäckerei. Gern denkt er zurück an die ersten zehn Jahre seines Bestehens. Viel gab es zu tun. "Es war ein schweres Arbeiten, aber es hat Spaß gemacht. Mehr als heute", ist Tempelhoff keiner, der schönfärbt. "Zu Ostzeiten lief es richtig gut", erzählt er davon, dass die Bäckerei Tempelhoff die zweitgrößte in Aschersleben gewesen sei. "Manchmal konnten wir keine Bestellungen mehr annehmen, das hätten wir gar nicht geschafft", so der Bäckermeister. Zwischen 7 000 bis 8 000 Brötchen habe er gebacken. Freitags. Und sonnabends noch mal. Dazu 400 bis 500 Laibe Brot - pro Tag. Der Erfolg riss nicht ab, auch nach der Wende nicht. Den Laden - bereits ein Jahr nach der Geschäftseröffnung hatte Tempelhoff das Haus gekauft - ließ er von Grund auf um- und ein Café einbauen: "Wir haben die Backstube modernisiert, alles auf den neuesten Stand gebracht." Elf Mitarbeiter beschäftigte er damals.

Heute sind es noch drei - Heike Krieg und Beatrice Bierschenk im Verkauf, Martina Barsch in der Backstube. Mit jeder Kaufhalle, die aus dem Boden geschossen ist, blieben mehr Kunden aus, spricht er von den Schwierigkeiten, die viele kleine Läden einen. "Man kann keine großen Sprünge machen, die Zeiten sind vorbei." "Wenn die Stammkundschaft nicht wäre, hätte ich bereits zumachen können" - die Bäckerei liegt in einer Seitenstraße. Viel Laufkundschaft ist da nicht -, meint der 59-Jährige, der genau weiß, was bei ihr besonders gut ankommt: die Ossibrötchen natürlich und sein Mischbrot - "hier wird noch anständig gebacken", erklärt er und spielt auf die dreistufige Sauerteigführung an, die klassische, aber auch langwierige Methode zur Herstellung, denn bis der Teig verarbeitet werden kann, vergehen im Schnitt 18 Stunden.

Wenn die meisten anderen noch im Tiefschlaf schlummern, ist für Tempelhoff die Nacht vorbei - Punkt drei Uhr klingelt der Wecker. Dann geht's in die Backstube und wenn dort alles erledigt ist, mit dem Verkaufswagen in die Helmut-Welz- und Lübenstraße. Um sechs öffnet die Bäckerei, die wochentags bis 18, am Sonnabend bis 11 Uhr geöffnet ist - im Café können die Besucher von 8 bis 16 Uhr einkehren. Der Einkauf muss über die Bühne gebracht werden und der Papierkrieg will erledigt sein. Was sich der Bäckermeister mit der knapp bemessenen Freizeit trotz allem täglich gönnt, ist sein Mittagsschlaf. Schließlich steht er am Abend wieder in der Backstube, um sauber zu machen und die nächsten Vorbereitungen zu treffen.

Aus einer Bäckerfamilie stammt Tempelhoff, der ursprünglich aus Klostermansfeld kommt, nicht. Auch keines seiner drei Kinder hat sich dafür entschieden, in seine Fußstapfen zu treten. Der Zufall hat ihn die Lehre antreten lassen. "Ich bin zum Bäcker gegangen, um etwas zu kaufen", erinnert er sich. Dabei habe er einen Aushang gesehen, dass ein Lehrling gesucht wird. Zu Hause angekommen, erzählte er es seiner Mutter, die ihm riet: "Mach's doch!" Und so backt er seitdem Tag für Tag. Brötchen, Brote, Kuchen, Teilchen. Zum Karneval mehr Pfannkuchen, in der Weihnachtszeit Plätzchen und Stolle. "Ein Weilchen will ich auch noch weitermachen", denkt der Bäckermeister an die Zukunft.