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Verkehr Verkehr: Crash in der Ferne

04.07.2003, 08:50
Unfall im Urlaub. (Foto: dpa)
Unfall im Urlaub. (Foto: dpa) GDV

Brüssel/Wiesbaden/dpa. - Ein Unfall im Ausland gehört zu jenen Urlaubserinnerungen, auf die jeder gerne verzichtet. Denn neben dem Ärger über das Ereignis an sich kann es gerade bei der Regulierung der Schäden unerwartete Hindernisse geben. Seit Jahrzehnten wird daher von Juristen, Politikern und Versicherern daran gearbeitet, zu mehr internationaler Einheitlichkeit bei der Rechtsprechung zu kommen. Anfang des Jahres ist mit der so genannten 4. Kraftfahrzeug-Haftpflicht-Richtlinie (KH) dazu ein weiterer Schritt gemacht worden. Doch weil längst nicht alle Probleme aus dem Weg geräumt sind, wird bereits kräftig an einer 5. KH gefeilt.

Wie vielfältig die Hindernisse noch sind, zeigen einige Beispiele von Hans-Peter Luckhaupt, Experte bei der R+V Versicherung in Wiesbaden. So gilt als eine der größten Schwierigkeiten, dass immer noch das Recht des Unfall-Landes zum Tragen kommt. «Wenn in Weißrussland ein Auto aus Deutschland mit einem aus Luxemburg zusammenstößt, gilt weißrussisches Recht.» Und das ausländische Rechtssystem hat so seine eigene Regeln: «Wer bei einem Unfall in Frankreich schwer verletzt wurde und nach der Heilung über einen Anwalt Schmerzensgeld verlangt, hat das Problem, dass es das Schmerzensgeld in Frankreich in dieser Form nicht gibt.» Dort kenne man nur voneinander unabhängige Beträge für erlittene Schmerzen, ästhetische Beeinträchtigung oder entgangene Lebensfreude.

Selbst bei vergleichsweise kleinen Schäden kann es kompliziert werden. Luckhaupt nennt als Beispiel einen deutschen Autofahrer, dessen Wagen bei einem Unfall in Dänemark einen Blechschaden erlitten hat. Lässt der Autofahrer dann nach der Heimkehr in Deutschland den Schaden begutachten, heißt dies nicht, dass damit alles geklärt ist. «Nach dänischem Recht hat dort die Versicherung das Recht, das Fahrzeug zu begutachten.» Folglich müsste der Geschädigte gegebenenfalls noch einmal nach Dänemark fahren.

Doch trotz dieser und vieler anderer Schwierigkeiten hat sich schon einiges getan. Doch bis alle Probleme aus dem Weg geräumt sind, wird es laut Hermann Neidhart, Auslandsjurist des ADAC in München, wohl noch einige Jahre dauern. Schließlich ist man derzeit erst bei der 4. Richtlinie: «Das ist ein Jahrzehnte langer Prozess - die erste KH wurde im Jahr 1972 verabschiedet», erinnert sich Neidhart.

Zumindest ist mit der aktuellen 4. KH zum Jahresanfang ein weiterer Schritt gemacht worden. So ist es für Geschädigte nicht mehr nötig, sich auch noch mit Sprachbarrieren herum zuschlagen. Denn der wohl wichtigste Fortschritt ist nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in Berlin, dass ein unschuldig in einen Unfall verwickelter Urlauber nun zur Regulierung seines Auslandsschadens einen Ansprechpartner der gegnerischen, ausländischen Versicherung im eigenen Land findet. Voraussetzung ist jedoch, dass das Unfall-Land die 4. KH schon umgesetzt hat.

«Solche Ansprechpartner finden sich in den verschiedensten Institutionen wie Versicherungen oder Kanzleien», erklärt Neidhart. Das Wichtigste ist aber, dass dieser Regulierungsbeauftragte den Fall nicht unendlich hinauszögern darf. Denn mit der neuen Richtlinie wurden auch konkrete Fristen gesetzt. «Der Beauftragte muss innerhalb von drei Monaten entweder auf die Forderungen eingehen oder seine Ablehnung begründen.» Tut sich auf der gegnerischen Seite trotz all der Regeln nichts, kann sich der Geschädigte dem GDV zufolge in Deutschland an die Verkehrsopferhilfe in Hamburg wenden. Die leistet unter bestimmten Voraussetzungen Ersatz, wenn ein Unfallopfer von keiner anderen Seite Entschädigung erhalten kann.

Schon bald sollen europaweit weitere Probleme rund um den Auslandsunfall aus dem Weg geräumt werden. Denn während es von der 1. bis zur 4. KH rund 30 Jahre dauerte, ist die 5. Richtlinie wohl nicht mehr so weit entfernt: «Ein möglicher Termin für die Verabschiedung ist Ende 2003, Anfang 2004. In Kraft treten wird sie aber frühestens Ende 2005, Anfang 2006», so Ulf Lemor, Vertreter des GDV in Brüssel.

Unter anderem geht es in der nächsten Richtlinie um die Mindestdeckungssummen. Die sind dem GDV zufolge seit 1984 unverändert. Laut Ulf Lemor liegen sie bei 350 000 Euro für Personenschäden und 100 000 Euro für Sachschäden. Laut Lemor denkt die Europäische Kommission an künftig eine Million Euro pro Unfallopfer bei Personenschäden, während das Europäische Parlament zehn Millionen Euro pro Unfallereignis fordert. Ähnlich unterschiedlich sind die Ideen in Hinblick auf Sachschäden.

Ein weiterer Aspekt auf der Tagesordnung ist der Ersatz von Anwalts- und Gerichtskosten. Dass die erstattet werden, ist laut Hermann Neidhart nicht überall die Regel. Daneben gilt es auch noch, sich um die unterschiedliche Behandlung von Geschädigten innerhalb Europas bei der Erstattung von Schäden bei Fahrerflucht zu kümmern und das Recht schwächerer Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer in Augenschein zu nehmen. Steht die 5. Fassung der Richtlinie dann fest, ist für die Beteiligten schon klar, wie es weitergeht: «Dann kommt die 6. Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie, und so weiter», sagt Ulf Lemor.