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Kunsthochschule Kunsthochschule: Mandy und Maik erobern die Burg

Von ANDREAS HILLGER 19.07.2009, 17:34

HALLE/MZ. - Für die Buchkünstlerin Andrea Nieke aber wird das antike Denk-Modell nun zur Metapher, die sie in ihrer Diplomarbeit an der halleschen Kunsthochschule Burg Giebichenstein neu erhellt. Alte Fotos von Menschengruppen hat sie als Wasserzeichen in handgeschöpften Papieren versteckt, erst vor einer Lichtquelle werden die Konturen in scheinbar unbeschriebenen Blättern sichtbar - ein sinnliches, ebenso melancholisches wie tröstliches Spiel mit dem Bewahren und dem Verlieren.

Originelle Übersetzung

Dass der Preis der Stiftung der Stadt- und Saalkreissparkasse Halle dieser unsichtbaren Sammlung zuteil wurde, konnte man am Wochenende durchaus als Leitmotiv für die Jahresausstellung der Burg verstehen. Denn die eigene Tradition, die man der halleschen Schule in der Vergangenheit oft als übermächtige Blaupause vorgehalten hat, wird zwar weiter in die Gegenwart getragen. Doch das Figürliche, Gegenständliche wird inzwischen so souverän und originell übersetzt, dass man der Burg und ihren Bewohnern endlich auch mehr überregionale Aufmerksamkeit wünschen würde, zumal die handwerkliche Qualität noch immer selbstverständlicher Maßstab ist.

Das zeigt sich zunächst bei den Diplomarbeiten im Volkspark, wo die ganze Bandbreite des Absolventen-Jahrgangs aufgefächert wird. Das Spektrum reicht dabei von Andrea Wiesers siebenteiliger Keramik-Installation "Kinder des Raumes" - in der eine Badewannen-Armada zum Mikrokosmos für Sex und Krieg wird - bis zum fragilen, fein abgestuften Glasteppich von Jenny Trinks in unmittelbarer Nachbarschaft.

Kyongyon Wons poppig grelle "Seltsame Geschichte", die in Halle allerdings fast wie ein Götze(n)-Dienst wirken muss, wird von Kwan Jung Youngs monumental-meditativen Linien-Landschaften überstrahlt. Und Ina Zimmermanns grafische Epitaphien "Post mortem" flankieren gemeinsam mit Wibke Rahns monströsem Naturalienkabinett "Life Sciences" den Weg zu Bernd Neumanns grandiosem "Heiligen Theater", das als Hommage an Franz Kafkas "Amerika" einen Instant-Bausatz für das gelobte Land liefert. Wie wegweisend im übrigen die mehrspurige Ausbildung etwa in der Klasse von Ulrich Reimkasten sein kann, sieht man im gültigen Nebeneinander von Zeichnung und Textilkunst bei Constanze Rilke.

Von diesem Ziel ausgehend, entdeckt man auch in den Ateliers und Werkstätten auf der Unterburg und am Neuwerk sowie im Hermes-Gebäude Staunenswertes: Bei den Keramikern finden sich einmal mehr überraschende Konfrontationen von Material und Form - etwa in Hannes Uhlenhauts boshaft-ironischem Porzellan-Nippes, in Nina Naußeds Tuben-Arsenal oder in Johannes Fötschs Fleischwölfen.

Die Grafik zeigt - bei Tobias Teschner oder dem Diplomanden Wieland Payer - autonome Aneignungen des Magischen und Surrealen. Und im Bereich der Skulptur begegnet man dem kinetischen und akustischen Experiment (Sebastian Reddehase) ebenso wie den seriell-erzählerischen Miniaturen (Daniela Schönemann) oder der alptraumhaft raumgreifenden Installation (Dana Meyer). Es ist alles da - pluralistisch und selbstbewusst, konservativ im Können und innovativ im Wollen. Dass bei den Designern gelegentlich sogar Foto-Verbot herrscht, weil die Allianz mit real existierenden Unternehmen auch Werksspionage nicht ausschließt, lässt für die Markttauglichkeit hoffen - ebenso wie die Selbstironie, mit der Robert Haslbeck und David Oelschlägel ihr Messemobiliar nach dem Vorbild eines schwedischen Möbelhauses taufen. Die Mehrfachsteckdose heißt "Mandy und Maik".

Barocke Lust

Bei den Kunst-Pädagogen um Una H. Moehrke steht man schließlich in einer "Petersburger Hängung", die neben dem einzelnen Exponat auch die Kunst des Ausstellens selbst in barocker Lust verhandelt.

Bei den Malern findet man mit Paul Arne Meyer und Robin Zöffzig experimentierfreudige Spielmacher mit eigenem, flexiblem Regelwerk. Warum das so ist, beantwortet wie immer der Blick auf das Grundlagenstudium mit seinen Stimulantien der Kreativität. Eine der gestellten Aufgaben hieß diesmal "Ein Fahrrad für." und brachte unverwechselbare Drahtesel für Jesus und den Dalai Lama, Alfred Hitchcock und Prinz Charles, Pablo Picasso und Niki de Saint-Phalle zutage. Bleibt zu wünschen, dass auch einige "Burg"-Studenten später solche stilistischen Prototypen rechtfertigen.