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Franz von Anhalt-Dessau Franz von Anhalt-Dessau: Ein fürstliches Puzzle-Spiel

Von Christian Eger 02.02.2005, 18:47

Halle/MZ. - Große Unbekannte

Aber eben auch eine Persönlichkeit ohne Biografie von Rang. Es gibt eine Reihe von Lebensbildern, die sich entweder einer zu starken Nähe zum Fürsten oder einer zu sehr weichzeichnenden Allgemeingültigkeit verdanken: in der Sache nicht auf der Höhe der Franz-Zeit, im Urteil nicht auf dem der Gegenwart. Paul Herres (1876-1962) über 23 Jahre vorangetriebene Franz-Arbeit ist 1945 verbrannt.

So sehr die Schöpfungen des Dessauer Fürstenpaares in aller Munde sind, bleibt dasselbe also faktisch unbekannt; das hat gesellschaftliche und politische Gründe. Die Tagebücher der Fürstin sind unveröffentlicht bis heute; Franz selbst ist ein Mann ohne privaten Nachlass, dessen Person also aufwändig vom Rand her rekonstruiert werden muss: aus Akten und Briefen, die in alle Welt zerstreut sind. Letzterem verdankt sich die Idee des Großseminars, das am Dienstag in der halleschen Burse zur Tulpe ganztägig zu einer Anhörung seiner Ergebnisse lud. Siebzehn Vorträge im 20-Minutentakt: Präsentation, Diskussion, der Nächste bitte! Von Franz und die Frauen bis hin zu Franz und die Straßenbeleuchtung reichte das Programm. Das ging froh und munter zu, und gelang da am Besten, wo nah am Material gearbeitet wurde.

So blickte Antje Faßhauer stichprobenartig in die Kabinettsprotokolle der Franz-Zeit: 94 Bände von jeweils rund 370 Blatt, in zwei Längsspalten gegliedert - links das Anliegen aus Volkes Mitte, rechts die Entscheidung des Fürsten. Es ging um Baumaterial, Pachten, zu erlassende Zinsen - eine Dauer-Audienz auf Papier. Die Befunde des Fürsten fielen mit den Jahren immer kürzer aus, Anfragen wurden häufiger delegiert; das System Franz lief wie geschmiert.

Was in London liegt

Der Fürst, der allein entschied: Das von 1766 bis 1775 erarbeitete "Project" einer Erleuchtung Dessaus durch 500 Laternen stoppte Franz, offenbar aus finanziellen Gründen; am Ende leuchteten 40 Lampen in der Stadt. Die Auswertung der Dessauer "Fremdenliste", die Besuche "bei Hofe" von 1770 bis 1806 erfasst, zeigt einen erstaunlichen Überhang an amerikanischen und britischen Gästen. Überhaupt England: 1775 reiste das Fürstenpaar über die Insel, wo es in Bowood den Earl of Shelburne besuchte.

Vierzehn Franz-Briefe an Shelburne - die noch gesichtet werden müssen - entdeckte Lena Vogler in der British Library: Solcherart sind die Sensationen, die die Forschung beleben. Magister-Arbeiten werden folgen, auch wenn die große Biografie längst nicht in Sicht ist. Der Mitteldeutsche Verlag hat Interesse an den vorgestellten Beiträgen bekundet; so vollzieht sich die Geburt des Franz-Bildes aus dem Geist des Puzzle-Spiels.