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MZ-Serie: «Unser Sport im Ort» MZ-Serie: «Unser Sport im Ort»: Am Auensee fliegen Eier

Von Gottfried Schalow 24.11.2003, 21:30

Leipzig/MZ. - Am Wochenende wurde ausnahmsweise der eigene Verein zur kompletten Nebensache erklärt. Gesprächsthema Nummer eins war im Vereinsheim von Lok Wahren das Weltmeisterschafts-Finale im fernen Australien. "Mit dem Sieg der Engländer ging das drittgrößte Sportereignis der Welt nach Fußball-Weltmeisterschaft und Olympischen Spielen zu Ende. 1,8 Millionen Zuschauer bei insgesamt 48 Spielen, das ist schon gewaltig", versucht Jens Meierhöfer die Dimensionen der Sportart Rugby, die 1878 in der englischen Stadt gleichen Namens erstmals erwähnt wurde, deutlich zu machen.

Mit seinen 36 Jahren hat Meierhöfer in seinem Verein am Leipziger Auensee schon so ziemlich alles gemacht, vom aktiven Spieler bis zum Nachwuchstrainer. Der 17 Jahre alte Sohnemann Enrico setzt mittlerweile die Familientradition auf dem Spielfeld fort. "Vieles hat sich im Laufe der Jahre verändert, eines ist geblieben: Die staunenden Gesichter, in die man schaut, wenn man mit einem Fremden über Rugby spricht. Geblieben sind auch die Vorurteile, die mit dieser Sportart meist etwas ganz Brutales verbinden", klagt Jens Meierhöfer.

In Deutschland ist Rugby nie so richtig heimisch geworden, ganz im Gegensatz zu Großbritannien,

Frankreich, Australien, Neuseeland oder vielen Ländern Südamerikas, wo Rugby Nationalsport Nummer eins ist. Dabei gibt es auch hierzulande eine große Tradition. Kurz nach 1900 wurden in Heidelberg und Leipzig-Leutzsch die ersten Vereine in Deutschland gegründet. Seit 1955 gibt es Rugby bei Lok Wahren. Die Sportgemeinschaft war so etwas wie die Bayern des DDR-Rugby und von 1977 bis 1980 vier Mal hintereinander Meister. "Natürlich schmorten wir als Randsportart im eigenen Saft. Kontakt mit der Weltspitze gab es nur mit Rumänien, der mit Abstand besten Rugby-Nation Osteuropas", erinnert sich Meierhöfer.

Heute setzt man mehr auf Frankreich als Lehrmeister. "Erste Kontakte haben wir im Vorjahr nach Toulouse geknüpft. Mit unserer Kindermannschaft haben wir dort an einem Turnier teilgenommen und bekamen den Mund vor Staunen nicht mehr zu, als zu jedem Match um die 5 000 Zuschauer kamen. Daheim spielen wir wie eh und je vor handverlesenen hundert Freunden, Verwandten und Bekannten", sagt Meierhöfer.

115 Mitglieder zählt die Rugby-Sektion von Lok Wahren, die meisten davon verweisen wie die Meierhöfers auf eine lange Familientradition. So auch die Ruhrländers. Der 43 Jahre alte Vater Andreas schaute einst mit ein paar guten Freunden am Auensee vorbei. Seine jetzt 18 bzw.13 Jahre alten Söhne Nils und Roy wurden schon im Kinderwagen auf den Platz gefahren und spielen heute wie selbstverständlich in ihren Altersklassemannschaften. "Familientradition gut und schön, um aber die Popularität des Rugby zu steigern, müssen wir neue Wege gehen. Gezielt suchen wir nach Nachwuchs in Leipziger Schulen. Immer wieder versuchen wir zu erklären, dass Rugby nicht nur etwas für ganz harte Männer ist", erzählt Andreas Ruhrländer und nennt ein Beispiel: "Einer der wichtigsten Spieler ist der mit der Rückennummer neun. Der hat die Aufgabe, aus dem Gedränge heraus den Ball weiterzuspielen. Und dafür werden kleine, wieselflinke Leute gebraucht." Und um endgültig den rauen Männersport ins Reich der Fabel zu verweisen: Bei Lok Wahren spielen auch 15 Frauen und Mädchen Rugby - und das sogar wettkampfmäßig wie die Männer in der Regionalliga.