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iposa.de - Magazin für Halle iposa.de - Magazin für Halle: Juli 2003: Halles Sommermacher

Von Jens Borghardt und Alexander Schultz 24.06.2003, 15:32

Halle/iposa. - In Halle ist richtig was los in den heißen Tagen. Die vielen sommerlichen Angebote lassen ein fast mediterranes Lebensgefühl in der Stadt aufkommen. Doch wie kommt das? Von selbst passiert bekanntlich so gut wie nichts. Also machten wir uns auf den Weg und suchten Leute, die sich hier engagieren und in ihrer Rolle den halleschen Sommer spannender machen als jede TV-Soap. Die Sommermacher eben.

Weil man sich bei Regen nicht mal sonnen kann und auch die meisten sommerlichen Aktiviäten nur Spaß machen, wenn das Wetter stimmt, nehmen wir das Thema wörtlich und fragen eine Expertin. „Ich bin eine Sommermacherin, weil ich das schöne Wetter mache“, sagt Anja Zirnstein. „Wie das geht? Ganz einfach“, sagt die technische Assistentin für Meteorologie beim Deutschen Wetterdienst in der Wettermessstation Halle-Trotha. „Bei uns laufen alle wichtigen Daten ein und wir errechnen daraus die Wetteraussichten für die Region.“ Zwar würde die 34-Jährige gern mal bei „Gute Zeiten Schlechte Zeiten“ oder „Stargate“ mitmachen, doch eigentlich fühlt sie sich in ihrer für Halles Sommer so wichtigen Rolle ziemlich wohl.

Könnte man allein vom Standort der Wetterstation auf das regionale Wetter schließen, stünde den Hallensern ein sehr erträglicher Sommer mit lauschigen Abenden bevor, so idyllisch ist die Station in Trotha gelegen. Klar, dass sich Anja Zirnstein da wohl fühlt und die Arbeit Spaß macht. Auch weil sie neben den täglichen Messungen ab und zu Besichtigungen durchführt. Dann zeigt sie Schulklassen auch ihren halleschen Lieblingsort „Am Donnersberg“. Hier, in der naturbelassenen Gegend, wo Wetterinformationen für die Agrarwirtschaft ermittelt werden, lässt es sich im Sommer bestens aushalten, „auch wenn die Geräusche der Besucher des Nordbads in einem öfters den Wunsch nach einer wässrigen Abkühlung aufkommen lassen.“

So ein richtiger Badespaß ist eben auch ein bisschen laut. Doch oft, wenn Katrin Degenhardt ins Nordbad kommt, ist es noch menschenleer und still: Die 24-jährige Studentin arbeitet als Rettungsschwimmerin und ihr Dienst beginnt oft vor der Öffnungszeit und nicht selten mit Unkrautjäten. Soviel zum „coolen Bademeisterjob“ á la Pam Anderson und Co. Auch die populären männlichen Kollegen von Hasselhoff bis Ärzte-Paule sind keine Vorzeige-Akteure der Zunft. Als Sommermacher kommen sie nicht infrage. Katrin Degenhardt dagegen schon: Von Mai bis September achtet die BWL-Studentin darauf, dass die Gäste im Nordbad die Badeordnung einhalten und leistet Erste Hilfe, wenn sich doch einmal jemand verletzt.

„Gegen Paragraf eins wird am häufigsten verstoßen“, sagt Katrin. Und der lautet wie in der Straßenverkehrsordnung „Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme“. Den Überblick zu behalten, wenn hunderte Badegäste um die Becken tollen, ist für die Rettungsschwimmer nicht leicht. „Wenn es richtig voll ist, spüre ich die Verantwortung besonders“, sagt sie. Doch die Arbeit macht ihr Spaß: „Das Team hier ist sehr nett“.

Wann gehen Rettungsschwimmer eigentlich baden? „Vor oder nach dem Ansturm“, sagt Katrin. „Oder im Urlaub.“ Na klar, ans Wasser soll’s gehen, wenn die Saison vorbei ist. „Vielleicht nach Bulgarien.“ Doch bis dahin ist noch viel Zeit und viel zu tun. „Müll auflesen zum Beispiel“, sagt sie und benennt eine weitere, allgemein unbekannte, Rettungsschwimmeraufgabe. „Mit Baywatch hat das nichts zu tun hier“, lacht die Blondine. „Zum Glück musste ich auch noch niemanden wirklich retten!“

Albin Seitz hingegen muss schon ab und zu mal Leute aus dem Wasser fischen. „So einmal im Jahr fällt jemand in die Saale. Komischerweise sind es meist Frauen“, wundert sich der 63-Jährige, der am Stand der Reederei Riedel unterhalb der Giebichensteinbrücke Ruderboote verleiht und Tickets für Bootsfahrten verkauft. „Sie wollen immer zu schnell aus den Ruderbooten aussteigen, verlieren das Gleichgewicht und …“ Der rüstige Rentner kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Die meisten Damen nähmen den Reinfall mit Humor, sagt Seitz, der für solche Fälle ein Handtuch bereit und seine Ticketbude zum Umziehen zur Verfügung stellt.

Seitz würde sofort auch als Kapitän durchgehen, doch seine Seefahrerkarriere ist schon seit vielen Jahren beendet: 40 Kilo Gewichtsverlust und häufige Übelkeit zwangen ihn an Land. Er arbeitete als Bauleiter. Doch für uns ist er ein Sommermacher. Absolut. Seitz ist einer jener Menschen, die die Sonne im Herzen haben und immer einen fröhlichen Spruch auf den Lippen. Seine Rolle in Halles Sommer muss unbedingt eine witzige sein. Er kann nämlich nicht anders. Es ist ihm eine Lust, seine Kunden liebenswürdig hochzunehmen. „Ich kann nicht mal den Weihnachtsmann für meinen Enkel spielen. Das muss meine Frau machen, weil ich nicht ernst bleiben kann“, sagt Seitz, für den die Zeit am Riedel-Stand Ausgleich ist zum reinen Rentnerdasein im Winter. Seit sieben Jahren ist er schon dabei, meist vom 1. Mai bis zum 3. Oktober. Und nach dem Sommermachen? „Urlaub auf Gran Canaria. Da mach ich meinen Sommer im Herbst“, sagt Albin Seitz.

Ja, aber auch solch ein Sommer will gemacht sein. Dafür nehmen wir Annika Kahle. „Ich verkaufe den Sommer“, sagt die 25-jährige Reiseverkehrskauffrau, die ein echter Fan der warmen Monate ist. „Gute Laune, braune Haut und leichte Kleidung – für mich gibt es keine schönere Jahreszeit.“ Während dieser sitzt sie zwar tagsüber meist als Chefin in ihrem Reisebüro „intratours“ im Flughafen Leipzig-Halle, „doch die restlichen Sommerstunden werden vollständig genutzt, um sich von den anderen Sommermachern verwöhnen zu lassen.“ Am liebsten sitzt sie dann in ihrem Garten am Hufeisensee oder im Biergarten vom Objekt 5. Urlaub zu machen ist für Annika im Sommer zwar nicht drin, „doch im Anschluss kann man ja dem Sommer hinterher fliegen.“ Und über die Hallenser weiß sie, dass auch sie den Sommer lieben. „’Guten Tag, wir wollen in den Sommer – egal was es kostet’ ist der häufigste Spruch den ich höre. Egal ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter.“

„Guten Abend, wir wollen Party!“, würden wohl die meisten Leute in der Schorre sagen, wenn man sie freitags oder samstags nach dem Grund ihres Erscheinens fragt. Auch in diesem Jahr lässt Halles bekannteste Disco ihre Gäste nicht ins Sommerloch fallen: Parties den ganzen Sommer durch. Doch Schorre-Booker Dirk Götze ist auch aus einem ganz anderem Grund ein Sommermacher in der Saalestadt: Zusammen mit Michael Gründling vom Kulturbüro der Stadt Halle ließ er sich 1995 die erfolgreiche „Kino & Konzert“-Reihe einfallen, die seitdem jährlich tausende Hallenser auf die Peißnitz lockt. „Drei Dinge auf einmal bieten wir den Hallensern“, sagt Gründling nicht ohne Stolz. „Biergarten, schöne Konzerte, interessante Filme in herrlicher Atmosphäre!“

Auch in diesem Jahr wartet das OpenAir-Spektakel mit einem breitgefächerten Programm auf: Vom 25. Juli bis zum 2. August gibt es Music & Movies von Michael Gabriel bis zu den Natural Born Hippies und von „Oceans Eleven“ bis „Koyaanisqatsi“. Höhepunkt in diesem Jahr ist für Götze und Gründling der „Jan-Josef-Liefers-Tag“. Am 31. Juli gibt es ein Konzert und danach einen Film mit dem Schauspieler und Musiker. Ob Kassenschlager oder Cineasten-Perle – auf der Peißnitz funktioniert fast alles. Auch Michael Gründling ist immer wieder erstaunt, wie gut auch schwierige Filme angenommen werden. „Wir haben ein tolles Publikum“, sagt der 37-Jährige. „Ich denke nur an Vorführungen im Regen zurück, bei denen alle ausharrten. Oder als ein Gast aus dem Publikum eine rettende Idee hatte, um den Projektor provisorisch zu reparieren.“ Gründling kommt ins Schwärmen. „Unsere Lieblingsveranstaltung. Manchmal bekommt man sogar einen Lieblingsfilm“, sagt er, der sich mit seinen Kollegen vom Kulturbüro der Stadt schon zur Museumsnacht und zu „HändelsOpen“ als Sommermacher bewiesen hat. „Soweit die Füße tragen“ sei in der Vergangenheit so ein Lieblingsfilm im Programm gewesen, sagt Gründling.

Der Titel dieses Nachkriegsdramas könnte zugleich ein Motto für Evelin Steinmetz sein. „Wenn es voll ist, ist es ein ganz schönes Gerenne“, sagt die 29-Jährige, die im Biergarten des Café Deix und in der Zanzibar bedient. Ganz klar, Evelin ist ein Sommermacher. Denn was entspricht der Jahreszeit mehr, als den Tag im Biergarten mit einem „kühlen Blonden“ oder in Straßencafé und Bar mit einem leckeren Cocktail ausklingen zu lassen? Evelin bringt beides! Sie muss sowieso immer in Bewegung sein, scheint es: In Südafrika geboren, in Indonesien, Saudi-Arabien und Hessen aufgewachsen, zum Pharmaziestudium an die MLU gekommen und seitdem nicht nur als Radkurier auf Halles Straßen, sondern überhaupt hier unterwegs. Doch irgendwie auch angekommen: Das Studium geschafft, Apothekerin im Praktikum. „Halle ist mein Zuhause“, sagt sie. „Ich hab hier Freunde gefunden.“ Freunde bei der Arbeit, Freunde unter den Gästen – da macht die Arbeit Spaß. „Wenn ich länger nicht gearbeitet habe, fehlt mir was“, sagt Evelin. Sieht man ihr eine Weile bei der Arbeit zu, bekommt man ein Gefühl dafür, was das sein könnte.Und Urlaub? „Erst mal nicht“, sagt sie als sie die im kurzen Pfingsturlaub an der Nordsee gesammelten Muscheln liebevoll in den Windlichtern des Deix-Biergartens arrangiert.

Alles schöner machen in der schönen Jahreszeit will auch ein anderer hallescher Sommermacher: Roger Barz vom Studentenclub Turm. Seit Jahren arbeitet er als Veranstalter mit daran, den Sommer in Halle attraktiver zu machen. „In dieser Hinsicht hat sich in den letzten Jahren viel getan in Halle: Die Stadt lebt den Sommer“, sagt er. Warum er sich auch in den heißen Tagen engagiert? „Weil ich es nicht mag, an lauen Sommerabenden nicht zu wissen wohin.“ Ob SommerLiterale, Sommertheatergastspiele oder der verschönerte Biergarten – der Moritzburggraben bietet fast immer eine Ausgeh-Alternative. „Wo sonst in Halle gibt es ein Veranstaltungshaus, das gleichzeitig einen luftigen Abend an einem wunderschönen Ort und eine Dance-Party bieten kann? “

Um den Sommer in Halle müssen wir uns also keine Sorgen machen. Er ist in guten Händen – in vielen mehr, als wir vorstellen konnten. Und: Er wird schöner, spannender und aufregender als jede Fernsehseifenoper. Dank der vielen Sommermacher. Schreiben Sie uns doch, wer Ihr persönlicher Sommermacher ist oder wie Sie sich Ihren Sommer machen. Denn genau genommen steckt in jedem von uns ein Sommermacher. Lassen wir sie raus!