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Kommentar zum RBL-Stürmer Timo Werner und die Pfiffe - es ist noch nicht vorbei

Von Martin Henkel 05.09.2017, 13:55
Bundestrainer Joachim Löw herzt seinen Stürmer Timo Werner nach dem 6:0-Sieg gegen Norwegen in der WM-Quali.
Bundestrainer Joachim Löw herzt seinen Stürmer Timo Werner nach dem 6:0-Sieg gegen Norwegen in der WM-Quali. dpa

Leipzig - Es ist noch nicht zu Ende. Aber vielleicht ein Anfang, dass RB Leipzigs Stürmer Timo Werner bei einem Heim-Länderspiel mal nicht ausgepfiffen wurde.

So wie am Montagabend bei der WM-Qualifikationspartie gegen Norwegen. Das Stadion, in dem die DFB-Elf ihren Gegner 6:0 besiegte, steht in Stuttgart, Bad-Cannstatt. Werner ist dort aufgewachsen, er hat bis vorigen Sommer für den VfB gespielt. Ein Heimspiel also.

Pfiffe gegen Timo Werner: Eine schlimmer Brauch, nicht nur in deutschen Stadien

Konnte man meinen. Doch auch die Rückkehr des 21-Jährigen war überschattet von den Schmähgesängen aus Prag vom Freitag zuvor, wo Teile angeblich deutscher Fans den Profi von RB Leipzig mit Spott und Häme übergossen hatten.

So wie das mittlerweile unrühmlicher Brauch in deutschen Stadien und auf Ferieninseln geworden ist. Nach seiner Schwalbe gegen Schalke vorige Saison und in Kombination mit dem zwiespältigen Ruf, den sein Arbeitgeber auf manchem Tribünenrang im deutschen Fußball genießt, wurde Werner zu einem Hassobjekt zusammengeknetet, dass selbst auf fußballfernen Veranstaltungen wie der Dart-WM oder dem Mallorca-Urlaub verunglimpft wird. Man kann in der Geschichte des bundesdeutschen Fußballs einen vergleichbaren Vorgang suchen. Man wird ihn nicht finden.

Enden die Pfiffe gegen Werner? Die Chancen stehen schlecht

Darüber sollten die Werner-Sprechchöre und der Applaus, mit denen der zweifache Torschütze aus seinem früheren Spielkasten verabschiedet wurde, niemanden hinwegtäuschen. Bereits in Hamburg am Freitag, wenn Werner mit RB Leipzig aufläuft, wird sich zeigen, ob für den Stürmer mit der Partie am Montag ein Wende eingetreten ist – und die Verunglimpfungen abnehmen werden.

Die Chancen dafür stehen freilich schlecht. Ein Teil der deutschen Ultraszene hat sich zum Kampf gegen Kommerz, DFB und Proporz aufgemacht. Werner ist durch Schwalbe und Wechsel nach Leipzig Teil dieser angeblich üblen Welt, die es zu bekämpfen gilt. Und auf Mallorca wird man den Teufel tun, auf die Diskothekenhymne „Imo Erner Urensohn“ zu verzichten.

Timo Werner: Es geht um menschliche Werte

Der erfreuliche Stuttgarter Umgang mit dem bisher so übel wie fahrlässig verunglimpften 21-Jährigen wird daran so schnell nichts ändern. Es sei denn, Kollegen, Vereine und DFL wie DFB gehen massiv dagegen vor und beenden ihre stille Duldung der Schmähgesänge in den Stadien.

Und zwar nicht, weil Werner Nationalstürmer ist. Nicht, weil er jetzt in acht Spielen sechs Tore geschossen hat und plötzlich wertvoll ist. Sondern weil Timo Werner das für sich beansprucht, was jeder, der Spott über ihm auskübelt, ebenfalls für sich reklamiert: nämlich Mensch zu sein. Und erst dann: ein Granatenfußballer.

Allen, die jetzt plötzlich umschwenken, sei deshalb der Gedanke zur Seite gestellt, ob sie das nicht hätten viel früher tun können. Ein Dreivierteljahr nach einer Stürmerschwalbe. Herrje! Und ungezählte Pfiffe, tausend Schmähgesänge, ein unsägliches Sauflied und peinlichen Buh-Rufen selbst bei Spielen der Nationalmannschaft später. Ein Anfang? ja. Erfreulich? Unbedingt. Aber nichts weiter.

(mz)