Yussuf Poulsen im Interview RB Leipzig: Yussuf Poulsen im Interview: "Ich spüre kaum Druck"

Leipzig - Yussuf Poulsen (23) ist bei RB Leipzig den Weg von der 3. Liga in die Champions League mitgegangen. Seit 2013 spielt der dänische Nationalstürmer schon für RBL und absolvierte fast 180 Einsätze. Im Interview mit Ullrich Kroemer und Martin Henkel spricht Poulsen über seine Entwicklung, Druck im Profifußball, den Konkurrenzkampf im Sturm und das letzte Saisonspiel gegen Hertha BSC Berlin.
Yussuf, Sie können noch in die Champions League erreichen, aber auch auf Rang neun abstürzen. Wie stellen Sie sich darauf ein?
Yussuf Poulsen: Es geht nur darum, dass wir unser Spiel gewinnen müssen. Den Europa-League-Platz haben wir selbst in der Hand. Den müssen wir auf jeden Fall verteidigen. Vielleicht haben wir Glück und rutschen auf Platz vier. Aber darauf liegt jetzt nicht unser Fokus.
Auf Rang vier wären Sie ein Superheld, auf Rang neun der Loser. Kennen Sie die Situation schon, wenn in einem Spiel eine ganze Saison auf dem Spiel steht?
Stimmt. Das ähnelt ein wenig der Situation im ersten Zweitligajahr, als wir auf St. Pauli mit 0:1 verloren haben und dachten, wir seien aus dem Aufstiegsrennen ausgeschieden. Dabei hätten wir trotzdem aufsteigen können, wenn wir das nächste Spiel gegen Sandhausen gewonnen hätten.
Was dann 0:4 verloren ging.
Das war die höchste Klatsche, die wir zu Hause bekommen haben. Aber daraus habe ich gelernt: Schaue nur auf dich selbst, du weißt nie, was sonst Kurioses passieren kann.
Spüren Sie besonderen Druck vor diesem Spiel?
Nein, denn wir haben eine gute Position. Wir können im zweiten Bundesligajahr am letzten Spieltag selbst entscheiden, ob wir in die Euro League kommen oder nicht. Das ist doch eine wunderbare Situation. Also: nicht mehr Druck als sonst das bevorstehende Spiel zu gewinnen.
Was sind Sie für ein Drucktyp: Eisklotz oder Nervenbündel?
Es gibt im Profifußball wahrscheinlich nicht viele Spieler, die mental vor jedem Spiel hart dafür arbeiten müssen, um dem Druck standzuhalten. Dann bleibst du nicht lange in dem Geschäft. Man muss gewissermaßen cool sein. Natürlich gibt es auch hier verschiedene Stufen.
Und auf welcher stehen Sie?
Ich spüre kaum Druck. Es ist zudem ja auch subjektiv, was man für Druck hält. Wenn überhaupt, mache ich mir selbst mehr Druck als von außen kommt.
Haben Sie Rituale, um sich mental auf das Spiel einzustimmen?
Ich habe am Spieltag meine Abläufe: Ich dusche meine Haare kalt, schnüre den linken immer vor dem rechten Schuh, absolviere immer zum gleichen Zeitpunkt meine Übungen, um meinen Rücken freizubekommen.
Also doch Druck?
(lacht) Ich hatte früher immer mal Probleme damit, dass der Rücken ab und zu zumacht. Mit den Übungen kann ich freier auflaufen.
Wie schlafen Sie vor solch wichtigen Spielen?
Gut, das ist gar kein Problem. Ich schaffe locker zehn Stunden. Ich bin wahrscheinlich der beste Schläfer der Mannschaft.
Das Spiel gegen die Hertha ist auch wegen des Wiedersehens mit Ihrem Kumpel Davie Selke ein besonderes. Wer hat die Sticheleien bei Whatsapp angefangen?
Naja, er hat natürlich alle Trümpfe auf der Hand, weil er im Hinspiel (2:3, Anm.d.Red.) zwei Tore gemacht und gewonnen hat. Aber er war selbst bei unserem 4:1-Erfolg in der Vorsaison gegen Hertha dabei. Warten wir mal ab, wie gut wir auswärts gegen ihn und die Hertha sind.
Selke hat im Hinspiel wie aufgezogen an der Grenze zum unfairen Spiel agiert. Wie haben Sie seine Rückkehr wahrgenommen?
Das war ein spezielles Spiel für ihn. Er hat RB verlassen, weil er nicht mehr so zufrieden war, mehr spielen wollte. Dann ist es fast immer vorprogrammiert, dass derjenige dann auch gegen seinen alten Klub trifft. Dann kommt es zu Emotionen, die er sonst gar nicht zeigen würde.
Können Sie noch Motivation aus dem 2:3 vor der Winterpause ziehen?
Natürlich haben wir eine Rechnung offen. Bis auf Hoffenheim gibt es keine Mannschaft, gegen die wir in Hin- und Rückspiel nicht mindestens einen Punkt geholt haben. Das soll so bleiben. Wir müssen zeigen, dass wir noch etwas Tolles erreichen können.
Was haben Sie aus den vergangenen Krisen-Wochen gelernt?
Auch wenn es nicht gut läuft, genauso viel zu investieren, als liefe es gut. Das ist nicht nur im Sport, sondern auch in anderen Lebensbereichen eine Herausforderung: Wenn gerade nichts klappt, wird man unsicher und tut plötzlich nicht mehr das so konsequent, wie man es normalerweise tut. Das ist menschlich. Aber diesen Reflex muss man erkennen und abstellen. Dass wir das geschafft haben, tut sehr gut.
Sind Sie ein Auswärtsstürmer, Herr Poulsen?
Der Mannschaft wurde zuletzt unterstellt, dass der Teamgeist nicht mehr wie noch in der Vorsaison sei. Ein Problem?
Es gibt immer eine Phase, in der man neue Spieler integrieren muss – gerade, wenn viele Ausländer gekommen sind wie im vergangenen Sommer. Dabei ist Sprache elementar, um einen Teamspirit zu entwickeln. Aber diesbezüglich sind die Jungs inzwischen gut dabei. Dayot Upamecano zum Beispiel spricht inzwischen sehr gut Deutsch. Und man sieht auch, wie gut die Spieler inzwischen integriert sind. Dayot und Ibrahima Konaté zum Beispiel haben Dominik Kaiser nach dem letzten Spiel auf Schultern getragen. Die wissen schon, was er für diesen Verein geleistet hat, obwohl sie erst so kurz dabei sind. Auch da haben wir eine gute Entwicklung als Team gemacht.
Wonach entscheidet Trainer Ralph Hasenhüttl eigentlich, ob er Sie oder Jean-Kévin Augustin bringt?
Gute Frage, fragen wir am besten ihn (lacht). Timo Werner ist im Moment unsere Topspitze, um den zweiten Platz kämpfen „Jika” und ich. Da geht es um den besseren Eindruck im Training, das Momentum, auch etwas Taktik, wer gerade eine Fußspitze vorn und mehr bereit ist, der Mannschaft zu helfen.
Sind Sie zufrieden mit Ihren Einsatzzeiten?
Klar, würde ich gern jedes Spiel machen, aber bin ehrlich mit mir selbst: Ich kann einfach nicht jedes Spiel 90 Minuten durchpowern, wenn man regelmäßig zwei Mal pro Woche spielt. Das geht einfach nicht. Ich glaube, wir haben eine gute Mischung gefunden, dass jeder Stürmer genug Einsatzzeiten bekommt.
Wissen Sie eigentlich, dass Sie gerade auswärts gefragt sind? Etwa zwei Drittel Ihrer knapp 1700 Einsatzminuten in der Bundesliga haben Sie auswärts bestritten. Sind Sie ein Auswärtsstürmer?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Aber jetzt, da Sie es sagen, kann ich vielleicht meine Schuhe für Hertha schon putzen.
Sie haben nur vier Bundesligatore geschossen, gewinnen aber im Schnitt 52 Prozent ihrer Zweikämpfe. Hat sich Ihre Rolle als Turm im Sturm weiter geschärft?
Ja, das hat aber auch mit der Konstellation aus Timo Werner und mir zu tun. Früher war ich der Stürmertyp, der neben Daniel Frahn, Davie Selke oder Terrence Boyd auch in die Tiefe gelaufen ist. Jetzt bin ich mehr der Target-Spieler, der Bälle verarbeitet und weiterleitet. Das hat mein Spiel ein Stück weit verändert. Und natürlich habe ich auch dazugelernt, gegen welche Spieler ich meinen Körper wie einsetze. In Situationen mit dem Rücken zum Tor etwa habe ich mich entwickelt.
Was haben Sie aus dieser Saison speziell für sich mitgenommen?
Ich habe vor allem mental viel gelernt. Es ist vor allem im Kopf gar nicht so einfach, zwei Mal pro Woche in der Bundesliga und international zu spielen. Die Herausforderung ist, dass man sich nicht länger als zwölf bis 15 Stunden mit dem letzten Spiel beschäftigen kann. Danach geht es schon wieder um die nächste Partie.
Es bleibt keine Zeit, um die Erlebnisse zu verarbeiten?
Nicht richtig, um es so intensiv zu machen wie zuvor. Früher habe ich mir in der Nacht nach einem Spiel immer die gesamten 90 Minuten noch einmal angeschaut und in den nächsten paar Tagen darüber nachgedacht. Jetzt müssen wir viel schneller auf das nächste Spiel umschalten.
Haben Sie sich schon an diese permanente Überforderungssituation gewöhnt?
Ich habe sehr viel dazugelernt und mich angepasst. Ich glaube, dass ich in der kommenden Saison noch besser spielen werde als diese. Doch um auch international zu zeigen, was wir gelernt haben, brauchen wir gegen Hertha drei Punkte. (mz)