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Nach Angriff von Elefantenkuh Benjamin Nach Angriff von Elefantenkuh Benjamin: Debatte über Zirkuselefanten neu entfacht

14.06.2015, 11:38

Stuttgart - Eine tragische Begegnung zwischen Mensch und Tier: Ein 65-jähriger Mann verlässt am Samstag bei Tagesanbruch seine Wohnung in der Stadt Buchen im Odenwald. Wie üblich sammelt er beim morgendlichen Spaziergang Pfandflaschen und Dosen. Gegen 5.30 Uhr trifft er auf einen Afrikanischen Elefanten. Das Tier mit dem Namen Baby ist aus einem in der Nähe gastierenden Zirkus ausgebüxt. Die Elefantenkuh geht auf den Spaziergänger los und tötet ihn auf der Stelle.

Es ist nicht das erste Mal, dass Baby einen Menschen angreift. Schon mehrfach hat der 34 Jahre alte Elefant, auch Benjamin genannt, Menschen verletzt: 2010 schleudert er bei einem Betriebsfest in Leutkirch im Allgäu einen 24-jährigen Mann in die Luft, der seinen neun Monate alten Sohn auf dem Arm trägt. Der Mann verliert eine Niere, das Kind bricht sich das Bein.

Toter ist „Kein Wunder“

2012 bricht Baby einem 12-jährigen Jungen in Burladingen im Zollernalbkreis mit dem Rüssel den Kiefer. Der Junge hatte nach Polizeiangaben während einer Tierschau die Sicherheitszone betreten. Tierschützern zufolge verletzte die Elefantenkuh bereits 2000 in Nordhessen eine Frau so schwer, dass sie ins Krankenhaus musste. Laut Polizei war dem Besitzer jedoch bislang kein strafbares Verhalten vorzuwerfen.

„Dass dieser Elefant gefährlich ist, war und ist bekannt“, kritisiert dagegen Tobias Dornbusch. Der Diplom-Biologe befasst sich seit 20 Jahren mit Elefanten und arbeitet für die European Elephant Group, einer Organisation zum Schutz von Zoo- und Zirkus-Elefanten.
Dornbusch erstellte vor zwei Monaten für eine Behörde ein Gutachten über Baby. Er habe eine Verhaltensneurose beobachtet, erzählt er. „Das ist ein Indikator für schlechte Haltung.“ Zum tragischen Fall in Buchen sagt er: „Das größere Wunder ist nicht, dass es einen Toten gab, sondern, dass es erst einen Toten gab und nicht noch viel mehr.“

Noch 50 Zirkuselefanten in Deutschland

Rund 50 Zirkuselefanten führen in Deutschland noch Kunststücke in der Manege vor: Sie machen Männchen oder gehen vor dem Publikum auf die Knie. Der Angriff belebt nun die Diskussion darum, ob die Behörden dagegen vorgehen sollten.
Seit Jahrzehnten fordern Tierschützer ein Verbot exotischer Tiere im Zirkus. Sie kritisieren zu kleine Gehege, ständige Transporte oder die aus ihrer Sicht von Gewalt und Zwang geprägte Dressur. Elefanten, Großkatzen oder Bären fehle es an Bewegung und sozialen Kontakten. „Alle 50 Zirkuselefanten, die es noch in Deutschland gibt, sind tickende Zeitbomben“, sagt Peter Höffken von der Tierschutzorganisation Peta.

Baby sei verhaltensgestört, unter anderem weil sie einzeln gehalten werde. Peta, die dies wiederholt bemängelt hat, will nun Zirkus und Behörden wegen fahrlässiger Tötung anzeigen.

„Kein Tierschutz-, sondern ein Sicherheitsproblem“

„Das ist ein schrecklicher Unfall“, findet Dirk Candidus vom „Aktionsbündnis Tiere gehören zum Circus“. Es liege aber kein Tierschutz-, sondern ein Sicherheitsproblem vor. „Wenn ein Mitglied der Zirkusfamilie dabei gewesen wäre, wäre es nie dazu gekommen“, sagt er. Baby habe einen innigen Kontakt zur Zirkusfamilie und sich stets leicht leiten lassen. Peta strebe eine Trennung von Mensch und Tier an, kritisiert Candidus. „Wir meinen, dass Mensch und Tier zusammengehören.“

„Die meisten von diesen Tierrechtlern waren seit vielen Jahren nicht mehr im Zirkus“, beschwert sich auch Max Siemoneit-Barum, Tierschutzbeauftragter beim Circus Krone. Der Münchner Zirkus habe selbst sechs Elefanten und werde ständig von Veterinärämtern kontrolliert. „Der Zirkus ist der am meisten kontrollierte Betrieb in Deutschland“, sagt er. Die Standards hätten sich erheblich verbessert.

Wildtierverbote in Europa verbreitet

Mehrere europäische Länder haben in den letzten Jahren trotzdem Wildtierverbote für Zirkusse verhängt, darunter Belgien, Österreich und Finnland. Deutschland dagegen nicht: Der Bundesrat hatte bereits 2003 und zuletzt 2011 gefordert, unter anderem Elefanten, Bären und Flusspferde aus den von Ort zu Ort ziehenden Betrieben zu verbannen. Laut einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF-Magazins „Frontal 21“ vom März sind zwei Drittel der Deutschen gegen Elefanten, Giraffen oder Tiger in der Manege.
Nach dem tödlichen Angriff sind die Tage der Kunststücke zumindest für Baby gezählt. Die Elefantenkuh soll in einem Tierpark ein neues Zuhause finden. Den Namen des Parks nennt die Polizei zunächst nicht: „Sonst geht es dort ab mit den Tierschützern.“ (dpa)