MZ-Wirtschaftsnewsletter vom 17. Juli 2025 Ende der Erfolgsgeschichte: Warum Ost-Produkte in Bedrängnis geraten
Weitere Themen: Ende der Talfahrt in der Wirtschaft / Sprit im Osten teuer / Brandbrief an Bauministerin / Kein Schiff auf der Elbe / Rückruf von Wasser

nach der Deutschen Einheit hatten es viele ostdeutsche Lebensmittel schwer, gegen die oft bunt aufgemachte westdeutsche Konkurrenz zu bestehen. Doch Mitte der 90er Jahre kam es zu einem Umdenken der ostdeutschen Verbraucher, sie besannen sich auf ihre gewohnten und auch geliebten Marken. Das Label „Ost-Produkt“ war geboren. Dazu gehörten in Sachsen-Anhalt etwa Rotkäppchen-Mumm, Halloren, Halberstädter Würstchen und Kathi Backmischungen.
Das Kennzeichen für Ost-Produkte war und ist, dass sie nicht nur im Osten produziert, sondern vor allem gekauft werden. Das sicherte den Unternehmen zunächst einen sicheren Markt. Doch nur wenigen Herstellern ist es gelungen, in den folgenden drei Jahrzehnten auch in die westdeutschen Supermarktregale zu kommen. Dafür fehlte den mittelständischen Herstellern vielfach das Geld.

Die große Ausnahme: die Sektkellerei Rotkäppchen-Mumm. Durch den Kauf des Sektherstellers Mumm in den 2000er Jahren öffneten die Freyburger das Tor zum Westen – eine strategisch wichtige Entscheidung. Inzwischen ist die Marke Rotkäppchen auch gesamtdeutscher Branchenprimus.
Diese Entwicklung muss man im Hinterkopf haben, um die aktuelle Entscheidung beim Backmischungshersteller Kathi aus Halle zu verstehen. Das traditionsreiche Familienunternehmen gab Anfang der Woche bekannt, dass es vom Lebensmittelkonzern Oetker aus Bielefeld übernommen wird. Die Produktion mit 70 Mitarbeitern bleibt zwar erhalten, die Entscheidungen werden künftig aber woanders getroffen.

Kathi hatte 1953 die erste Backmischung auf den Markt gebracht – deutlich vor Dr. Oetker. Das Unternehmen ist in Ostdeutschland Marktführer, doch das Wachstumspotenzial ist begrenzt. Im Jahr 2023 wurde erstmals ein Verlust eingefahren. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Firmenchef Marco Thiele, Enkel des Gründers, der MZ. Doch Kathi sieht sich als zu klein an, um im härter werdenden Nahrungsmittelgeschäft zu bestehen.
Der Lebensmittelexperte Mike Eberle von der Hochschule Anhalt sagt: „Die Lebensmittelketten üben einen enormen Preisdruck auf alle Hersteller aus.“ Es gebe zunehmend schwierige Verhandlungen. „Ein internationaler Lebensmittelkonzern kann eine Auslistung von Produkten auch mal wegstecken, ein Mittelständler kaum“, sagt Eberle, der bis 2023 Produktionsgeschäftsführer beim Sekthersteller Rotkäppchen-Mumm in Freyburg war.
Durch die gestiegenen Kosten würden viele mittelständische Unternehmen unter Druck geraten, sagt auch Ekkehard Heilemann, stellvertretender Sprecher des Netzwerks Ernährungswirtschaft Sachsen-Anhalt und Inhaber des Feinkostherstellers Keunecke aus Ballenstedt (Harz). „Dann gibt es zwei Alternativen: selbst zu wachsen oder unter ein größeres Dach zu gehen“, so Heilemann. Kathi wird nicht der letzte ostdeutsche Lebensmittel-Hersteller gewesen sein, der den zweiten Weg wählt.
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In diesem Newsletter wird (noch) nichts von KI geschrieben. Da ich in den Urlaub gehe, erscheint die nächste Ausgabe erst am 13. August. Ihnen allen eine gute Sommerzeit. Herzlich Steffen Höhne
Weitere wichtige Wirtschaftsthemen aus Mitteldeutschland der Woche:
Ende der Dauerkrise?
Die Unternehmen in Sachsen-Anhalt schauen laut Sascha Gläßer wieder positiver in die Zukunft. Warum Halles IHK-Präsident Ansiedlungen von Rüstungsfirmen offen gegenübersteht. (MZ)

Brandbrief an Bauministerin
Sachsen-Anhalt stellt keine Zuschüsse bereit, um Wohnungen etwa altersgerecht umzubauen. Auch Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau verfallen. Verbände schlagen Alarm. (MZ)
Tanken im Osten teuer
Zehn Cent mehr als im Saarland: In keinem Bundesland kostet der Liter Benzin derzeit so viel wie in Sachsen-Anhalt. Welche Gründe es dafür gibt und wie Autofahrer trotzdem sparen können.

Kein Schiff auf der Elbe
Auf der Elbe ist kaum noch Frachtverkehr möglich. Logistiker suchen nach Alternativrouten, Naturschützer wollen den Ausbau des Flusses stoppen. Unterwegs auf einer Wasserstraße, der das Wasser fehlt. (MZ)

Rückruf von Wasser
Bei einer Kontrolle wurden Keime im Mineralwasser aus einem großen Brunnen in Jessen gefunden. Die Abfüllung ist hier erst seit zwei Jahren in Betrieb. Es gibt eine große Rückrufaktion. (MZ)

Riesenflieger aus Kiew gelandet
Wegen des Krieges betreibt die Antonov Airlines eine Basis am Flughafen Leipzig/Halle. Jetzt wurde ein Riesenflieger vom Typ An 124 aus der Ukraine herausgeholt. (MZ)

Rüstung statt Autozulieferer
Sachsen-Anhalts Arbeitsagentur-Chef hat Automobil-Zulieferer zur Produktion für die Rüstungsindustrie ermutigt. Viele Unternehmen im Land stehen dem offen gegenüber. (VS)
Wizz verabschiedet sich von Leipzig/Halle
Bisher stehen drei Ziele auf dem Flugplan der Wizz Air, doch bald ist Schluss: Die Billig-Fluggesellschaft wird sich vollständig vom Flughafen Leipzig/Halle zurückziehen. Drei Ziele in Osteuropa fallen weg. (LVZ)
Biogas statt Braunkohle
Der Zuckerhersteller Südzucker in Zeitz will den Energieträger wechseln. Statt Braunkohle soll künftig Biogas eingesetzt werden. Die Investitionen dazu laufen. Jetzt wurde ein Fördermittelbescheid überreicht.
Luxus-Schuhe aus Sachsen
Unter dem Label „1774“ fertigt Birkenstock Premium-Modelle von Mode-Stars wie Dior oder Manolo Blahnik. Produziert wird in Bernstadt in Ostsachsen. Ein bewusster Entschluss des Schuhherstellers. (SZ)
Kaum Fahrer für Lkw da
Speditionen finden immer schwerer Fernfahrer. Auch dem Dessauer Betrieb Gress und Zapp geht es so. Er hat einen deutschlandweit beachteten Kongress zu diesem Thema ausgerichtet. Was dort diskutiert wurde. (MZ)