0340 Newsletter Dessau 20. Juni #107 Wenn sich Politiker und Sport-Funktionäre zu weit von der Basis entfernen
Wie H+S Computer 35 Jahre durchgehalten hat - Warum das „Hugos“ in die Sommerpause geht

Was haben Politiker und Sport-Funktionäre immer öfter gemeinsam? Die Entfernung von der Basis. Ich weiß, das klingt jetzt etwas plump und verallgemeinernd. Doch die Woche hatte da zwei eklatante Beispiele.
Da sitzt Jens „Ich habe ein reines Gewissen“ Spahn bei „Lanz“ und lässt alle Fragen an sich abperlen. Sein Vorgehen in der Corona-Krise hat den Staat viele hundert Millionen Euro gekostet. Auch wenn Corona eine Ausnahmesituation war, in der Entscheidungen getroffen werden mussten, für die es keine Blaupause gab, sind Demut und Selbstkritik nicht verboten.
Das zweite Beispiel betrifft, ja, den Handball und den Dessau-Roßlauer HV. Das war schon vorige Woche Thema hier im Editorial. Und ich will die Nicht-Sport-Fans gar nicht mit den Feinheiten des Sportrechts langweilen. Aber: Zu Frank Bohmann sind doch ein paar Sätze notwendig.
Bohmann ist Chef der Handball Bundesliga GmbH - und hat am Wochenende beim Champions League Final Four in Köln ein Interview gegeben zur vertrackten Situation um das angesetzte Wiederholungsspiel zwischen Essen und dem Dessau-Roßlauer HV, dass Dessau-Roßlau in die dritte Liga befördern könnte. Nach dem gefeierten Klassenerhalt. Nach dem letzten Spieltag.
Dass Bohmann da einen Spagat hinlegen muss, um einerseits das Urteil des Gerichts zu akzeptieren, andererseits aber auch die Interessen der Vereine und Spieler im Blick zu haben, ist klar. Aber wie dann am Ende all solcher Überlegung der arrogant-freche Satz „Selber schuld, wer in den Urlaub fährt“ steht, ist skandalös.

Für die Handballer gibt es einen schmalen Zeitraum für den Urlaub, der zwischen dem letzten Spieltag und dem Trainingsauftakt im Juli steht. Es ist übrigens ein Urlaub, der nach einer nervenaufreibenden Saison mit über 40 Spielen körperlich und mental unbedingt notwendig ist, der genehmigt wurde und auch rechtlich zusteht, wie der DRHV in dieser Woche deutlich machte. Verbunden mit dem Hinweis, dass Spieler in Argentinien und Indonesien unterwegs sind. Wer trägt eigentlich die Kosten für den Abbruch des Urlaubs und für die Rückholaktion? Was passiert, wenn sich - schon verabschiedete - Spieler in dem Wiederholungsspiel verletzen?
Fragen über Fragen, die der Chef der Handball Liga mit den Vereinen besprechen könnte... Wenn er sich nicht nur als Chef der Funktionäre, sondern auch als Chef der Vereine und Spieler verstehen würde. Momentan gibt es die Forderung nach einer 19er-Staffel in der neuen Saison. Von den Vereinen. Die Funktionäre drängen auf das Wiederholungsspiel, das seit Donnerstag für Sonntag, 29. Juni, 17 Uhr, angesetzt ist. Der DRHV prüft weiter rechtliche Schritte. Der Ausgang ist ungewiss.
Ich wiederhole mich: Eine sportlich faire Lösung ist das Spiel drei Wochen nach dem letzten Spieltag nicht. Denn es geht ja nicht nur um zwei Punkte, sondern um den Klassenerhalt in der zweiten Liga. Dessau-Roßlau würde für einen kleinen Fehler, der bei einer direkten Ahndung im Spiel maximal das 28:28 zur Folge gehabt hätte, unverhältnismäßig hart, ja unfair bestraft. Viele Grüße, Steffen Brachert.
RÜCKBLICK
Dessauer der Woche
Im Jahr 1990 war es, als Uwe Spindler die Firma H+S Computer gründete. Der Mann hatte eine Ausbildung zum Facharbeiter für Datenverarbeitung gemacht und dann ein Ingenieurstudium für Informationsverarbeitung absolviert. Neben der Arbeit setzte er im Fernstudium dann noch das Fach Mathematische Methoden und Datenverarbeitung in der Wirtschaft drauf. „Heute würde man sagen: Wirtschaftsinformatik“, so Spindler, der mit der Wende die Chance nutzte, sich selbstständig zu machen.
Am 1. Juni 1990 wird das Unternehmen gegründet und startet in einer Privatwohnung. Anfangs lag der Fokus auf dem Verkauf von Standardprogrammen sowie Computer-, Kopier- und andere Bürotechnik, erzählt Spindler. Die Nachfrage war groß. „1992 haben wir wöchentlich palettenweise Computer verkauft.“ Zum Beispiel an Schulen und die Verwaltung.

Mit dem Aufstieg von Media Markt, Saturn und Co. nahm die Nachfrage nach Technik bei der Firma langsam ab. „Wir mussten uns umorientieren und weiterentwickeln. Den Trend haben wir rechtzeitig erkannt.“ Technik wird heute noch verkauft, doch das Hauptaugenmerk der Firma liegt nun unter anderem auf IT-Beratung, Softwareentwicklung, Cybersicherheit sowie Dienstleistungen rund um den Computer. Zu seinem Kundenstamm zählt Spindler inzwischen Privatleute sowie kleine und mittelständische Unternehmen aus ganz Deutschland.
Viele von ihnen haben vorige Woche gratuliert. H+S Computer hat da 35. Geburtstag gefeiert. In der Branche ein hohes Alter für kleines Unternehmen, das nun vor der nächsten Aufgabe steht. Der 71-Jährige denkt langsam über seine Nachfolge nach.
MZ-Geschichten der Woche
+++Seit Anfang des Jahres findet der Wochenmarkt am Dessauer Rathaus-Center und nicht mehr auf dem ursprünglichen Platz, dem Marktplatz, statt. Kunden und Verkäufer fühlen sich am neuen Standort aber wohl. Warum sie dennoch umziehen müssen und warum es vom Rathaus-Center keine Hilfe gibt, das haben die MZ-Kollegen Oliver Müller-Lorey und Tizian Hempel recherchiert.
+++Wegen der angespannten Haushaltslage können im Dessauer Tierpark nur die nötigsten Dinge bezahlt werden. Zuletzt musste das Sommerfest abgesagt werden. All das hat auch Auswirkungen auf die Besucherzahlen. Der Tierpark-Freundeskreis fürchtet inzwischen den Weggang von Tierpark-Chef Jan Bauer, wie MZ-Kollege Oliver Müller-Lorey erfuhr.
+++In der Dessauer Ferdinand-von-Schill-Straße ärgern sich Gewerbetreibende über die Infos der Stadt zur Umgestaltung der Straße. Die fehlten nämlich. Nun geht es um Parkplätze und Mülltonnen. Und die Händler fürchten fehlende Kunden. MZ-Kollegin Leonie Beer hat sich die Sorgen vor Ort angehört.

+++Zum 100. Bauhausjubiläum wird im Dessauer Brauhaus ein spezielles Bier hergestellt. Die ersten der 4.000 Liter sind am Dienstag angesetzt worden. Wann und wo es die Flaschen zu kaufen geben wird, das hat MZ-Kollege Oliver Müller-Lorey vor Ort erfahren.
AUSBLICK
Fest und Bühne
+++Mosigkau feiert am Wochenende sein drittes Wilhelminenfest. Am Freitag, 20. Juni, macht der Freitagstingel der Stadtsparkasse Dessau Station. Ab 20 Uhr spielt in der Anhalter Straße „Else tanzt!“. Am Sonnabend beginnt um 9 Uhr der eigentliche Festtag. Mit einem Reitturnier, dem Festumzug, einem Handwerkermarkt und am Abend einem großen Straßenfest mit Radio Brocken.
+++2003 fand in Roßlau der erste Rossmarkt statt. Bis das Jahrhunderthochwasser 2023 und die Corona-Pandemie dazwischenfunkten. Nun hat der Wirtschaftskreis Roßlau das Fest wiederbelebt. Es wird am Sonnabend, 21. Juni. 10 Uhr, von Oberbürgermeister Robert Reck eröffnet. Neu ist der Standort: Das Straßenfest über lange Strecke zieht um auf den kompakten historischen Marktplatz zwischen Roßlauer Rathaus und Stadtkirche.
+++„This is Ska“ heißt es am Wochenende wieder auf der Wasserburg: 1997 gestartet, steht das Festival längst in den Notizblöcken von Ska-Fans aus ganz Europa und wird auch dieses Jahr wieder über 2.000 Besucher nach Roßlau locken. Bei der 28. Auflage ist mit „Junior Dell“ einer der neuen Stars der Szene aus Jamaika zu Gast. Insgesamt treten an drei Tagen auf zwei Bühnen über 30 Bands auf. Einlass am Freitag ist um 14 Uhr und am Samstag bereits ab 11 Uhr.
+++Die Open-Air-Bühne im Dessauer Tierpark geht in das zweite Wochende. Am Freitag, 20. Juni, und Sonntag, 22. Juni, erklingt der komplette Zyklus „Mein Vaterland“, dessen Bestandteil Bedřich Smetanas „Die Moldau“ ist, erstmals seit 42 Jahren wieder in Dessau. Am Pult der Anhaltischen Philharmonie steht Dirigentin Elisa Gogou.
+++Der „Heimatmarkt“ lädt am Samstag, den 21. Juni, wieder in der Dessauer Innenstadt zum Bummeln ein. Von 9 bis 13 Uhr wird der Platz an der Friedensglocke zum Treffpunkt für alle, die Wert regionale Produkte legen.

+++Das 27. Internationale Leichtathletikmeeting „Anhalt“ steigt am Sonnabend, 21. Juni, im Dessauer Paul-Greifzu-Stadion. Die Eröffnung findet um 14.50 Uhr statt. Bei angekündigtem Sonnenschein und warmen Temperaturen erwarten die Zuschauer viele Spitzenathleten wie Gina Lückenkemper (Weitsprung), Julian Weber (Speer), Olympiasieger Jerome Blake (Olympiasieger 4x100 Meter Staffel), Naita Daryll (Vize-Olympiasieger 4 x 100 Meter Staffel) und Robert Farken, der neue deutscher Rekordhalter über 1.500 Meter Meter. Diese Woche sagte zudem noch Weitsprung-Doppel-Olympiasieger Miltiadis Tentoglou zu.
Topf und Pfanne
+++Das „Hugos“, die Gaststätte im Golfpark, macht Sommerpause. Ab Mitte Juni kommt neue Farbe an die Wände, wird an neuen Akzenten auf der Speisekarte gearbeitet. „Am 2. September öffnen wir mit vertrauter Gastlichkeit und köstlichen Gaumenfreuden unsere Türen für Sie“, heißt es auf der Facebook-Seite. Veranstaltungen wie Hochzeiten, Tagungen oder Feiern werden weiter wie gewohnt begleitet. Nur das À la carte-Geschäft-Geschäft ruht. Essen kann man im Golfpark trotzdem: im Stammhaus auf der Terrasse.
EINBLICK
Erfolgreichster Social Media Post der Woche
+++ Ein herrenloser Rucksack hat am Wochenende am Dessauer Hauptbahnhof für Aufregung und eine Vollsperrung gesorgt. Vor allem wegen des Bildes zog der Beitrag auf Facebook Interesse auf sich - und erreichte 12.900 Personen.

Meist geklickter Text der Woche
+++Auf der A9 bei Dessau hat es am Sonnabend, 14. Juni, kurz nach 14 Uhr einen schweren Unfall gegeben. Ein Multivan mit einer sechsköpfigen Familie kippte um. Ein Rettungshubschrauber war im Einsatz. Der Artikel interessierte 23.800 Leser.
QUERBLICK
+++Für Investitionen der auch in Thalheim ansässigen Solarfirma Meyer Burger hat die Ostsächsische Sparkasse Dresden 125 Millionen Euro kreditiert. Der Großteil davon ist durch staatliche Bürgschaften abgesichert. Der Steuerzahler muss einspringen, berichtet die Sächsische Zeitung. Auch das Land Sachsen-Anhalt hat mitgebürgt - und muss gegebenenfalls ebenfalls zahlen.
+++Eine Schule in Wittenberg erprobt die 4-Tage-Woche. Einmal pro Woche arbeiten die Schüler dann in einem Betrieb. Das kann auch pädagogisch sinnvoll sein, berichtet die TAZ von einem besonderen Projekt.
+++Das Stammhaus des Modegeschäfts „Eule“ in der Wittenberger Innenstadt wird umgebaut. Eine Etage soll dauerhaft geschlossen werden. Warum sich das Geschäft trotzdem neu aufstellt und was jetzt dort entstehen soll, das haben die MZ-Kollegen in Wittenberg erfragt.
+++Es ist eine Rettung in letzter Sekunde: Nach Jahren des Verfalls ist schon nach wenigen Wochen der Baufortschritt am historischen Bahnhofsgebäude in Zerbst zu erkennen. Die Geschichte dahinter haben die Kollegen der „Zerbster Volksstimme“ aufgeschrieben.
MZ-FOTO DER WOCHE

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