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Trockenheit und Hitze in Sachsen-Anhalt  Trockenheit und Hitze in Sachsen-Anhalt : Waldbrände mit "Firewatch" frühzeitig erkennen

Von Katrin Löwe 13.08.2015, 18:42
Peter Eichelbaum kontrolliert am PC die Bilder von den riesigen Waldflächen.
Peter Eichelbaum kontrolliert am PC die Bilder von den riesigen Waldflächen. Alexander Baumbach Lizenz

Annaburg - Vor Jahren hat er noch selbst auf dem Feuerwachturm im Wald gesessen. Bei 40 Grad im Sommer mit seinem Fernglas in der Hand geschwitzt, im Frühjahr auch gebibbert.

Heute sitzt Forstwirt Peter Eichelbaum im Betreuungsforstamt Annaburg (Landkreis Wittenberg) vor einem Computer, der ihm in fünf Reihen jeweils 36 kleine Schwarz-Weiß-Bilder liefert. Jede Reihe steht für eine Kamera, die ein 700 Quadratkilometer großes Areal im Radius von 15 Kilometern auf Anzeichen von Waldbränden überwacht. Gerade jetzt ist die Waldbrandgefahr aufgrund der langen Trockenheit und Hitze so hoch wie seit mindestens 2003 nicht mehr. In zehn von 18 Regionen des Landes herrscht seit Tagen die höchste Waldbrandwarnstufe fünf. Mindestens 80 Waldbrände hat es 2015 schon gegeben - 23 im gesamten Vorjahr.

Das System "Firewatch"

Um Feuer im Forst schnell zu erkennen, hat Sachsen-Anhalt seit 2004 schrittweise das System „Firewatch“ eingeführt. „Früher hatten wir im Land 41 Feuerwachtürme, die alle mit Mensch und Fernglas besetzt waren“, sagt Andreas Goldschmidt, der für das neue System zuständige Mitarbeiter im Landeszentrum Wald. Heute überwachen 14 Kameras landesweit die am stärksten betroffenen Gebiete: Es sind die Kiefernwald-Regionen im Norden und Osten des Landes, die aufgrund langjähriger Statistiken in die höchste Gefahrenklasse A eingestuft wurden. Das ist immerhin fast die Hälfte der Landesfläche, auf der sich 240.000 Hektar Wald befinden. „50 Prozent aller Bäume in Sachsen-Anhalt sind Kiefern“, sagt Goldschmidt. Sie wachsen auf sandigen, trockenen Böden, auf denen auch Bodenvegetation schnell trocknet - und brennt.

Eichelbaum ist seit 30 Minuten im Dienst - zehn Stunden wird er auf den Monitor mit fünf Reihen und je 36 kleinen Bildern schauen und damit die Region um Wittenberg, Dessau-Roßlau und Teile des Landkreises Anhalt-Bitterfeld im Blick haben. Ein langer - und langweiliger - Job, möchte man meinen. Der Forstwirt aber schüttelt mit dem Kopf. „Es ist nur ungewohnt, weil wir sonst im Freien arbeiten.“ Außerdem: Die Technik schlägt pausenlos Alarm. Allein 100 Verdachtsmeldungen hat sie ihm in der ersten halben Stunde geliefert - angezeigt werden sie mit blauen Quadraten auf den Bildern. Pro Schicht kommen derzeit bis zu 1.500 Meldungen zusammen.

Immer nur ein Verdacht

„Das System stammt ursprünglich aus der Weltraumtechnik“, erklärt Goldschmidt. Es erkennt selbst feine Veränderungen im Grauwert der Kamera-Bilder und ist so etwa in der Lage, eine zehn mal zehn Meter große Rauchwolke selbst in zehn Kilometer Entfernung zu erkennen. Was es liefert, ist allerdings immer nur ein Verdacht. Der Mensch am Rechner muss entscheiden, ob es sich wirklich um einen Waldbrand handeln kann. Eichelbaum winkt bei der neuesten Meldung ab: Auf dem Foto ist in der Vergrößerung zu erkennen, wie ein Traktor auf dem Feld Staub aufwirbelt. Jetzt im Sommer ist das oft der Fall - ein Fachmann sieht an der Wolke und ihrer Bewegung schnell, ob sie von einem Landwirtschaftsfahrzeug oder einem Waldbrand stammt. Auch Luftverwirbelungen um Windräder oder das Spiel von Licht und Schatten in Baumkronen können die Technik fehlleiten.

Der Mensch bleibt damit unverzichtbar - er entscheidet, ob die Leitstelle informiert wird, Feuerwehr nötig ist. Die Technik sei letztlich dennoch effektiver, sagt Goldschmidt. Statt 41 Wachtürme mit Menschen zu besetzen, gibt es heute drei Waldbrand-Warnzentralen, in denen die Bilder der Kameras auflaufen - neben der Annaburger zwei im Norden des Landes.

Technik wird modernisiert

Bis 2016 soll die Technik für rund 750.000 Euro erneuert werden. Dann sollen sich die Kameras auch statt in acht Minuten in nur noch vier einmal um die eigene Achse gedreht und Bilder geliefert haben. „50 Prozent der Waldbrände werden heute durch das System entdeckt“, sagt Goldschmidt. Beim Rest sind aufmerksame Bürger schneller - oft liefert die Technik dann aber noch am genausten den Standort. Doch wie gut sie auch ist: „Wir hoffen auf Regen und Entspannung“, sagt Goldschmidt. Und einsichtige Menschen. Gerade hat tatsächlich jemand im Forstamt gefragt, wo er im Wald grillen kann. (mz)