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Seit 28 Jahren selbstständig Seilerweg 2a in Alsleben: Gabriele Ruß

Von Susanne Schlaikier 12.05.2018, 07:54
Die 60 Jahre alte Zuckertüte steht normalerweise im Schaufenster von Gabriele Ruß.
Die 60 Jahre alte Zuckertüte steht normalerweise im Schaufenster von Gabriele Ruß. Engelbert Pülicher

Alsleben - Ja, Lotto gespielt, das hat Gabriele Ruß schon einige Male. Aber einen fetten Gewinn hat die 62-Jährige noch nie gemacht. Für so manchen Tipper ist sie aber sicher so etwas wie eine Glücksfee. Denn Gabriele Ruß betreibt in Alsleben einen Lotto-Laden.

Ihr kleines Geschäft am Seilerweg 2a ist aber nicht nur Lotto-Annahmestelle, sondern auch Schreibwarengeschäft und Reinigung. Sie macht Passfotos und erledigt Kopierarbeiten. Gabriele Ruß sammelt für ihre Kunden sogar Zeitschriften und, wer sie nicht selber abholen kann, bekommt sie nach Hause geliefert.

Eröffnung am 27. August 1990

Am 27. August 1990 hat die gelernte Wirtschaftskauffrau, die seit ihrer Kindheit auch begeisterte Musikerin ist und beinahe auch Musik studiert hätte, ihren kleinen Laden eröffnet.

„Ich habe die Flucht nach vorn angetreten“, erzählt Ruß, die zuvor im LPG-Büro gearbeitet hatte. Doch sie wollte nicht darauf warten, bis man ihr, wie so vielen anderen kündigt, sondern wagte den Schritt in die Selbstständigkeit.

Seit 27. August 1990 selbstständig

Da sich das Grundstück ihrer Familie - schon ihr Großvater hat hier vor 100 Jahren ein Baugeschäft betrieben - auf dem Weg zur Schule befand, sei die Idee mit dem Schulbedarf entstanden, erzählt Ruß.

Ihr Mann habe einen früheren Schuppen des Baugeschäfts, das zwischenzeitlich als Garage genutzt wurde, zu einem Ladengeschäft umgebaut. Eine der größten Herausforderungen sei damals gewesen, eine geeignete Schaufensterscheibe zu bekommen, erzählt Gabriele Ruß.

In der Nähe von Merseburg seien sie schließlich fündig geworden. Und dennoch: „Wir haben lange darauf warten müssen.“

Schulbedarf und Süßes

Neben dem Schulbedarf hat die Alsleberin Süßes in ihr Sortiment aufgenommen. Beides kam bei den Kindern gut an. „Um 7.30 Uhr wartete immer eine Traube von Schülern vor der Tür“, erinnert sich Ruß. „Der Laden ’Ruß’ war damals ein Muss“, erzählt sie mit einem Schmunzeln.

Wer nicht artig war, dem drohte sogar ein „Ruß-Verbot“. Bunte Schnüre (Fruchtgummi) und eine „Misch-Tüte“ zum Naschen seien der Renner gewesen.

„So etwas gab es ja alles vorher nicht“, beschreibt sie den Reiz für die Kinder. Um immer genügend Vorräte zu haben, wurde beinahe wöchentlich in Wolfenbüttel, später in Halle oder Peißen eingekauft.

Viele Kopien von TV-Serienstar Alf

Auch die eigene Familie wurde immer mit eingespannt. Ihre beiden Kinder beispielsweise, damals selbst noch Schüler, mussten bei der Inventur helfen. Oder aber beim Kopieren von Malvorlagen. Anfang der 1990er Jahre waren das vor allem Bilder von Serien-Star „Alf“. Auch ihre Schwester half immer mal wieder aus.

Im Jahr 2001 kam schließlich noch der Lotto-Verkauf hinzu und es folgte der Umzug in die benachbarten, etwas größeren Räume. Sogar eine Verkäuferin konnte sie zusätzlich einstellen.

Die Zeiten seien anstrengend gewesen, in denen an Urlaub nicht zu denken war, aber auch sehr schön, blickt Ruß zurück. Mit der Schließung der Sekundarschule Mitte der 2000er Jahre sei dann aber ein Großteil der Kundschaft weggebrochen.

Weniger Kunden seit Schließung der Sekundarschule

Geblieben ist zwar eine Grundschule. Doch die Schüler der nur noch vier Klassen finden den Weg nicht mehr zu ihr. Auch, weil die Eltern die Schulsachen zum Teil im Internet bestellen. Oder weiter fahren, um die Sachen noch etwas günstiger zu bekommen. Die, die heute zu ihr kommen, spielen vor allem Lotto oder kaufen Zeitschriften.

Gabriele Ruß hadert nicht mit der Entwicklung

Mit der Schließung des benachbarten NP-Marktes ist zudem die Laufkundschaft weggeblieben. Doch Gabriele Ruß hadert nicht mit der Entwicklung. Sie habe ihre Arbeit immer gern gemacht. Vor allem der Kontakt mit den Kunden hat ihr immer Freude gemacht.

Und sie hat sich dabei so manche Geschichte angehört. Zur Kundenpflege gehören auch die jährlichen Laden-Partys mit Musik und selbst gebackenen Pfannkuchen von Gabriele Ruß’ Mutter Lieselotte Mühlner. Die inzwischen fast 90-Jährige unterstützt ihre Tochter noch heute, wo es geht.

Vorfreude auf das Leben als Rentnerin

Doch so gern sie ihre Arbeit auch macht: Gabriele Ruß freut sich aufs Rentenalter: Auf ihre Familie, auf den Garten und vor allem auf die Musik. Die war immer Teil ihres Lebens, egal wie stressig die Zeiten waren.

Ruß ist nicht nur Mitglied im Gemischten Chor Beesenlaublingen, sondern spielt auch Akkordeon und aushilfsweise Orgel. Einen genauen Zeitpunkt, wann Schluss ist, kann die 62-Jährige zwar noch nicht nennen. Aber es könnte in den nächsten ein, zwei Jahren so weit sein. Ein Nachfolger ist indes noch nicht in Sicht:

Ihre Tochter arbeitet als selbstständige Fotografin in Alsleben, ihr Sohn im Sodawerk in Bernburg und ihre sechs Enkel sind noch zu jung. Aber fest steht: „Sollte sich jemand finden, muss er das Geschäft mit viel Enthusiasmus betreiben“, sagt Gabriele Ruß. So, wie sie es in all den Jahren gemacht hat. (mz)

Der Lotto-Laden am Seilerweg in Alsleben
Der Lotto-Laden am Seilerweg in Alsleben
Pülicher