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Nach Interview zu Rundfunkgebühren Sachsen-Anhalt: Innenminister Holger Stahlkecht entlassen - MP Reiner Haseloff feuert Parteichef wegen Interview zu Rundfunkgebühren

04.12.2020, 15:59
Ministerpräsident Reiner Haseloff hat Innenminister Holger Stahlknecht (l.) entlassen.
Ministerpräsident Reiner Haseloff hat Innenminister Holger Stahlknecht (l.) entlassen. dpa

Magdeburg - Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) entlassen. Hintergrund ist ein Interview, das Stahlknecht der Magdeburger  Volksstimme gegeben hat und mit dem er die Bemühungen um eine Beilegung der Regierungskrise in Sachsen-Anhalt untergraben haben soll, indem er unabgestimmt einen Koalitionsbruch und eine CDU-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht hatte.

Das Vertrauensverhältnis sei durch das Vorgehen von Stahlknecht so schwer gestört, dass er der Landesregierung nicht weiter angehören könne, teilte die Staatskanzlei mit.

Das strikte Nein der CDU zu einer Erhöhung der Rundfunkgebühren belastet seit Wochen die Koalition in Magdeburg. SPD und Grüne drohen mit dem Bruch der Koalition, wenn die CDU bei ihrem Nein bleibt und zusammen mit der AfD die Gebührenerhöhung scheitern lässt.

Stahlknecht als CDU-Parteichef hatte im Interview noch einmal die Position der CDU bekräftigt. Die Fraktion werde einer Erhöhung keinesfalls zustimmen. Stahlknecht hatte im Gespräch mit der „Magdeburger Volksstimme“ nicht nur ausgeschlossen, dass seine Partei von ihrem Nein zu einem Beitragsplus abrückt, sondern die Kritik unter anderem auch mit dem Bild Ostdeutschlands in den öffentlich-rechtlichen Sendern und einer Berichterstattung mit dem „erhobenen Zeigefinger der Moralisierung“ gerechtfertigt. Das Interview sorgte auch in der Landes-CDU für angespannte Stimmung, von Wutausbrüchen ist die Rede.

Haseloff will Kenia-Koalition zusammehalten

Ministerpräsident Haseloff hingegen sucht weiter nach einem Kompromiss. Es gehe darum, eine in jeder Hinsicht handlungsfähige Regierung anzuführen, die auch im Landtag über verlässliche Mehrheiten verfügt, so der Regierungschef.

„Wir haben Respekt vor dieser Entscheidung. Damit ist jedoch leider nur die nächste Runde des CDU-Machtkampfs eingeläutet“, sagte Grünen-Parteichefin Susan Sziborra-Seidlitz. „Kräfte in der CDU stürzen gerade die Partei, die Koalition und das Land ins Chaos. Sie streben, mitten in der Pandemie, den Bruch der Koalition an, um eine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen AfD zu suchen. Wir Grünen stehen zu unserer Koalition.“

Die Linke in Sachsen-Anhalt hat unterdessen die Entlassung von Stahlknecht als alternativlos bezeichnet. „Damit ist der Richtungskampf innerhalb der CDU Sachsen-Anhalt offen ausgebrochen“, sagte Fraktionschefin Eva von Angern am Freitag nach Fraktionsangaben in Magdeburg.

Haseloff entlässt Stahlknecht: Linke und FDP fordern Vertrauensfrage im Landtag

Die CDU sei tief gespalten, „es stehen sich unversöhnliche Flügel gegenüber“. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der seinen Innenminister im Koalitionsstreit um den Rundfunkbeitrag entlassen hatte, müsse jetzt die Vertrauensfrage stellen, forderte von Angern. „Die Menschen in Sachsen-Anhalt haben ein Recht darauf, zu wissen, wer im Landtag von Sachsen-Anhalt eine Mehrheit hat.“

Auch die FDP forderte die Vertrauensfrage des Ministerpräsidenten. Haseloff habe offensichtlich seine Landtagsfraktion und den von Innenminister Stahlknecht geführten Landesverband nicht mehr hinter sich, so die FDP-Landesvorsitzende Lydia Hüskens. „Dieses Regierungshandeln ist an Dilettantismus nicht zu überbieten. Jetzt können die Menschen im Land zumindest erwarten, dass die erforderlichen Schritte schnell eingeleitet werden“, so Hüskens.

Stahlknecht regelmäßig für Aussagen und Entscheidungen in der Kritik

Holger Stahlknecht stand als Innenminister bereits mehrfach in der Kritik. Zuletzt hatte erst Anfang Oktober der Zentralrat der Juden in Deutschland seine Entlassung gefordert, nachdem Stahlknecht öffentlich den Eindruck erweckt hatte, die Bewachung jüdischer Einrichtungen sei der Grund dafür, dass Polizei für die sonstige Kriminalitätsbekämpfung fehle.

Andere Beispiele waren der zögerliche Rausschmiss eines CDU-Kreisvorstandsmitglieds in Anhalt-Bitterfeld, der ein beliebtes Neonazi-Motiv auf den Arm tätowiert hatte, oder die übereilte und schließlich gescheiterte Berufung des umstrittenen Polizeigewerkschafters Rainer Wendt zum Innenstaatssekretär.

Stahlknecht war seit 2011 Innenminister, ist seit 2018 CDU-Landeschef und galt jahrelang als gesetzt für die Nachfolge von Ministerpräsident Haseloff (CDU). Dieser Ambition machte der Amtsinhaber erst vor wenigen Wochen einen Strich durch die Rechnung und verkündete, für eine dritte Amtszeit als CDU-Spitzenkandidat anzutreten. (mz/slo/gero)