Beamte, die den Staat ablehnen Reichsbürger in Sachsen-Anhalt bei Polizei in Stendal und Magdeburg
Magdeburg - Sie lassen sich von einem Staat bezahlen, den sie nicht anerkennen - und den Sicherheitsbehörden gelten sie als Risiko. Vier Fälle sind bisher bekannt, in denen Polizisten mit Verbindungen zur Reichsbürgerszene in Sachsen-Anhalt aufflogen.
Auf MZ-Anfrage teilt das Innenministerium nun mit: Drei der vier Beamten arbeiteten im Revier Stendal (Altmark), ein weiterer Fall betrifft das Polizeirevier Magdeburg.
Intern bekannt wurden die Fälle zwischen August 2014 und März 2016. Das Ministerium in Magdeburg prüft nun nach MZ-Informationen, ob die Reichsbürgerszene im Land neu analysiert werden muss.
Aus Ermittlerkreisen heißt es, in Stendal geht es unter anderem um ein Polizisten-Paar, das sich im Privaten gegen eine Rechnung der Verwaltung wehren wollte. Die Polizeikommissarin setzte ein Schreiben auf, in dem sie die Rechtsordnung der Bundesrepublik für nichtig erklärte, der Staat habe an sie keine Forderungen zu stellen.
Reichsbürger bei der Polizei Sachsen-Anhalt: Disziplinarverfahren gegen Beamte in Stendal und Magdeburg
Alarmierte Verwaltungsmitarbeiter schickten eine Kopie des Reichsbürger-typischen Schreibens an das Revier.
„In allen Fällen wurden unmittelbar nach Bekanntwerden Disziplinarverfahren eingeleitet“, sagte Ministeriumssprecher Christian Fischer. Im Fall des Ehepaars laufen nach MZ-Informationen seit März Disziplinarklagen auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Chris Schulenburg, selbst jahrelang Polizist im Revier, sagte: „Wer das Grundgesetz mit Füßen tritt, hat bei der Polizei nichts verloren.“ Klar sei aber auch, dass es sich um Einzelfälle handele. „Wir gehen in Stendal nicht von einem Schwerpunkt aus“, sagte Ministeriums-Sprecher Fischer. In dem Revier arbeiten mehr als 200 Mitarbeiter.
Reichsbürger bei der Polizei: Suspendierungen auch in Sachsen-Anhalt
Die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene widerspreche „eklatant dem Treueverhältnis der Beamten“, so Fischer. In den vorliegenden Fällen hätten sich die Polizisten „offen zur Ideologie bekannt“. Das reicht für Ermittlungen und Suspendierungen, die in drei der vier Fälle ausgesprochen wurden.
Die Reichsbürger leugnen die Existenz der Bundesrepublik und erkennen ihre Gesetze nicht an. In ihrer Vorstellung existiert das Deutsche Reich weiter. Häufig verweigern sie das Zahlen von Steuern und wehren sich teils militant gegen Staatsvertreter.
Vergangene Woche erschoss ein Reichsbürger in Georgensgmünd (Bayern) einen Polizisten. Daraufhin hatte Bayerns Verfassungsschutz angekündigt, die Beobachtung der Szene zu verschärfen. Häufig gibt es Überschneidungen mit rechtsextremen und antisemitischen Strömungen.
Der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt spricht nach aktuellen Zahlen von rund 80 bekannten Reichsbürgern im Land, ein Viertel wird überwacht. Wie der Verfassungsschutz künftig mit dem Phänomen umgehen wird, wollen Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern im November klären. Das teilten am Dienstag die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission im Landtag mit. Das Gremium ist für den Verfassungsschutz zuständig.
Nach MZ-Informationen wird im Landes-Innenministerium derzeit erörtert, ob und wie es möglicherweise eine Neu-Erhebung der Szenezahlen geben könne. Thüringen hatte die Reichsbürgerzahlen vergangenen Woche überraschend von rund 200 auf 550 nach oben korrigiert. (mz)