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Steigende Pflegekosten Kosten im Pflegeheim: Bis zu 2.000 Euro im Monat für die Betreuung der Mutter?

Von Bärbel Böttcher 23.01.2018, 11:00
Eine gute Betreuung hat ihren Preis. Nach der Pflegereform werden Angehörige jetzt stärker zur Kasse gebeten.
Eine gute Betreuung hat ihren Preis. Nach der Pflegereform werden Angehörige jetzt stärker zur Kasse gebeten. dpa

Halle (Saale) - Wer soll das bezahlen? Diese Frage stellte sich dieser Tage Christine Meier (Name geändert). Die Kosten für das Pflegeheim, in dem ihre Mutter lebt, könnten sich bald um etwa 350 Euro erhöhen. So jedenfalls hat es der Betreiber in einem Schreiben angekündigt.

Der Eigenanteil, der für die pflegebedürftige Dame mit dem Pflegegrad 3 jeden Monat fällig wird, liege jetzt schon bei etwa 1.500 Euro. Kommt die Erhöhung wie angekündigt, dann werde an der 2.000er-Marke gekratzt. „Das ist heftig“, findet Christine Meier. Und sie fragt, wieso die Kosten in diesem Jahr so drastisch in die Höhe schießen.

Reform löst Kostensprung aus

Um zu verstehen, was da gerade vor sich geht, muss noch einmal daran erinnert werden, dass es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Pflegereformen gegeben hat. Die Politik sprach von Pflegestärkungsgesetzen. In der Öffentlichkeit verband sich damit der neue Pflegebegriff, der unter anderem die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz besser berücksichtigt.

Auch die geänderte Form der Begutachtung Pflegebedürftiger und die Überleitung von Pflegestufen in Pflegegrade war im Gespräch. Doch daneben gab es eine Reihe weiterer Veränderungen. Sie führen erst jetzt zu spürbaren Mehrkosten für die Heimbewohner, weil diese in einer Übergangszeit vom Staat ausgeglichen wurden. Das ist vorbei. Preissteigerungen werden nun auf die Bewohner umgelegt.

Anders gesagt: Alle Verträge der Pflegeheime mit den Kostenträgern - das ist neben den Pflegekassen auch die Sozialagentur - sind zum 31. Dezember 2017 ausgelaufen. Die Pflegeheime haben nun die Möglichkeit, Preise neu zu verhandeln. Von 460 Heimen haben bisher etwa 275 entsprechende Schritte unternommen.

Personalkosten machen 70 bis 80 Prozent der Pflegekosten aus

Doch worum geht es bei diesen Verhandlungen? Welche neuen Regelungen greifen dabei? Da sind zunächst die Personalkosten. Der dickste Brocken in der Kostenkalkulation jedes Heimes. 70 bis 80 Prozent der Pflegekosten machen sie aus.

Und wer seine Mitarbeiter nach Tarif bezahlt, kann das seit Jahresbeginn voll in die Kalkulation einbeziehen. Der Gesetzgeber ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Auch Heime, die nicht tariflich gebunden sind, können Tariflöhne zahlen und diese voll in die Kalkulation einbeziehen. Das führt in einzelnen Fällen zu beachtlichen Kostensprüngen.

Doch die Pflegeheime haben zu einer ordentlichen Bezahlung ihrer Mitarbeiter keine Alternative. Gute Fachkräfte zu finden, wird zunehmend schwieriger. Und die Hälfte des Personals, das ist gesetzlich vorgeschrieben, muss aus Fachkräften bestehen. Im Durchschnitt dauert es heute 88 Tage, bis eine freie Stelle neu besetzt werden kann. „Wenn ein Gut knapp wird, dann wird es teuer“, sagt Volker Kreis, Geschäftsführer der Stiftung Marthahaus in Halle. Anders ausgedrückt: Wer Fachkräfte halten will, der muss sie gut bezahlen, sonst wandern sie ab.

Was eine Pflegekraft verdient

Die Mitarbeiter des Seniorenheimes Marthahaus, hier leben 76 pflegebedürftige Menschen, werden nach dem Tarif der Diakonie Mitteldeutschland bezahlt. Dieser ist zum Jahresanfang um 2,2 Prozent gestiegen. Das heißt, eine in Vollzeit arbeitende Pflegefachkraft erhält jetzt einen Bruttolohn von etwa 2.800 Euro.

Hinzu kommen noch Zuschläge etwa für Nachtarbeit. „Das ist ein Niveau, mit dem man sich auf dem Arbeitsmarkt sehen lassen kann“, sagt Kreis. In die Lohnkosten muss er aber auch noch die sogenannten Personalnebenkosten einrechnen - beispielsweise für die Betriebsrenten. Nicht zu vergessen das Ausbildungsentgelt für die Azubis - im Marthahaus gibt es zwölf - steigt mit.

Hinzu kommt, dass es den Heimen im Zuge der Pflegereform ermöglicht wurde, den Personalbestand leicht zu erhöhen. Für jeweils 40 zu Pflegende darf eine zusätzliche Kraft eingestellt werden. Was im Marthahaus auch geschehen ist. Aus alledem ergibt sich, dass auch Marthahaus-Geschäftsführer Kreis bei den sogenannten Kostenträgern eine Erhöhung des Pflegesatzes beantragt: Um knapp 100 Euro monatlich soll er steigen.

Gehören Menschen mit Pflegegrad 2 in ein Heim?

Der bisherige Eigenanteil liegt, je nach Wohnbereich, bisher zwischen rund 1.300 Euro und 1.500 Euro. In diesem Eigenanteil sind alle Kostenbestandteile enthalten: Der Pflegesatz, die Kosten für Unterkunft und Verpflegung und die Investitionskosten, die zum Beispiel für die Instandhaltung veranschlagt werden. Heime die ausbilden, können auch diese Kosten umlegen.

Von diesem Eigenanteil ist es der sogenannte einheitliche Eigenanteil, der nur die Pflegekosten betrifft. Neu daran ist das „einheitliche“. Um es an einem Beispiel deutlich zu machen: Für einen pflegebedürftigen Heimbewohner im Pflegegrad 3 zahlt die Kasse derzeit 1.262 Euro. Da dieser Betrag - Stichwort: Teilkasko - nicht die gesamten Pflegekosten deckt, muss der Bewohner etwas zuzahlen.

Früher stieg dieser Betrag von Pflegestufe zu Pflegestufe. Jetzt wird - vereinfacht gesagt - über aller Pflegegrade ein Durchschnittswert gebildet und jeder Bewohner - ob Pflegegrad 2 oder 5 - zahlt für den pflegerischen Aufwand den gleichen Betrag. Geschäftsführer Kreis hat damit kein Problem. Vor dieser neuen Regelung habe er häufig mit Angehörigen diskutieren müssen, dass ein Antrag auf Höherstufung angeraten sei. Das sei vorbei.

Ein Problem könnten dadurch indes für Heime entstehen, die viele Bewohner mit Pflegegrad 2 haben. Hier geht, so sehen es Experten, der Gesetzgeber davon aus, dass diese Menschen noch nicht in ein Heim gehören. Getreu dem Motto: ambulant vor stationär. Allerdings ist es in Sachsen-Anhalt so, dass viele Bedürftige nicht zu Hause gepflegt werden könnten - etwa weil die Kinder weggezogen sind oder sie lange Wege zur Arbeit in Kauf nehmen müssten.

Deshalb ziehen auch viele Menschen mit Pflegegrad 2 ins Heim. Für Neu-Bewohner zahlt die Kasse nur noch monatlich 770 Euro (vorher 1.064). Alt-Bewohner haben einen Bestandsschutz. Da 770 Euro aber die Pflegekosten keinesfalls decken, ist das, was zugezahlt werden muss, sehr hoch. Das treibt auch den pflegerischen Eigenanteil in die Höhe. Übrigens lag dieser 2017 in Sachsen-Anhalt bei durchschnittlich 320 Euro. Niedriger war er nur noch in Schleswig-Holstein (293 Euro) und Thüringen (218 Euro). An der Spitze stand Baden-Württemberg mit 760 Euro.

Heime dürfen jetzt Gewinn machen

Zu guter Letzt ist es den Heimen nun auch erlaubt, Gewinne zu erwirtschaften. Von Gewinnen möchte der Geschäftsführer des Marthahauses jedoch nicht sprechen. Er nennt es einen Risikozuschlag, den er veranschlagt hat. 12.000 Euro hat er für das ganze Jahr angesetzt. Geld, das beispielsweise genutzt wird, um eventuelle Gerichtskosten oder einfach Abfindungen an Mitarbeiter zu bezahlen.

Es ist ein ganzes Bündel von Gründen, das die Heimpreise in die Höhe treibt. Ob die Preise allerdings in dem Maße steigen wie in den jetzt verschickten Briefen angekündigt, das hängt vom Verhandlungsergebnis ab. Fakt ist jedoch, die Pflege im Heim wird teuer. Für viele ist das bitter. Andererseits betont Volker Kreis: „Pflegekräfte müssen die Chance haben, das zu verdienen, was sie wert sind.“

Pflegebedürftige: Mehr Betroffene in Sachsen-Anhalt

Seit dem 1. Januar 2017 gelten der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue Verfahren zur Pflegebegutachtung durch den MDK (Medizinischen Dienst der Krankenversicherung). Dadurch veränderte sich das Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit grundlegend – Maßstab ist nun der Grad der Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen. Mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff erhalten dadurch mehr Menschen Pflegeleistungen.

Für rund 8.700 Menschen mehr als noch im Vorjahr empfahlen die Gutachter des MDK Sachsen-Anhalt im Jahr 2017 erstmals eine Pflegeleistung. Etwas mehr als 72.600 Pflegebegutachtungen haben die Gutachter des MDK Sachsen-Anhalt im Jahr 2017 insgesamt vorgenommen – rund elf Prozent mehr als 2016.

59.840 Versicherte wurden im Jahr 2017 nach dem neuen System begutachtet. Für 46.915 Versicherte empfahlen die Gutachter einen der fünf Pflegegrade. Hinzu kamen knapp 12.800 Begutachtungen nach dem alten Verfahren (entscheiden war hier das Datum der Antragstellung) von denen in 8.211 Fällen eine Pflegestufe empfohlen wurde. In insgesamt mehr als 55.100 Pflegebegutachtungen konnten die MDK-Gutachter somit 2017 einen Pflegebedarf feststellen.

Zudem hat der MDK im vergangenen Jahr 1.175 Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen durchgeführt. (mz)